Werner Hofmann

Kunstwissenschaftler
Geboren 8.8.1928
Gestorben 13.3.2013
Mitglied seit 1982

Sigmund-Freud-Preis

Der Kunsthistoriker, der dieser Akademie angehören darf, tut gut daran, diese Ehrung nicht nur auf seine Person zu beziehen. Daß er ein Museum leitet, über dessen Ausstellungen da und dort gesprochen wird, und nebenbei gelegentlich als Essayist sich mitteilt, dürfte ihn nicht ausreichend legitimieren. Aber ich möchte der Frage nach den Gründen aus dem Weg gehen, da sie nur zu schnell unter dem Vorwand der Selbstbefragung in Koketterie umschlägt, und Ihnen statt dessen mit einigen Sätzen sagen, wie die Anschauungsweise, die meinen beruflichen Umgang mit visuellen Kunstwerken bestimmt, vom Phänomen der Sprache geprägt ist.
Damit meine ich nicht die sprachliche Äußerung als literarisches Komplement des Bildzeichens, wofür ich in meinen Arbeiten immer wieder verblüffende Belege fand – am eindringlichsten in den Wechselbeziehungen, welche die Epoche um 1800 durchwirken.
Ich beziehe mich vielmehr auf die Unterscheidung zwischen Stil- und Sprachgeschichte der Künste, welche Julius von Schlosser, der fast vergessene Wiener Kunsthistoriker, von seinem Freund Benedetto Croce bezog und unserer Zunft als kritische Sonde verfügbar machen wollte. Freilich, im Unterschied zwischen der Inselhaftigkeit des Meisterwerks und dem Flachland bloßer Sprachgeschichte tat sich für Schlosser ein unüberbrückbares Wertgefälle auf, das kaum Übergänge oder Grenzverwischungen zuließ. Gemildert und seiner Dogmatik entlastet fand ich diesen Ansatz in Auerbachs Sprachhöhen wieder, in denen die Möglichkeit der »Stilmischung« angelegt ist.
Damit habe ich die Strukturmodelle benannt, welche meine Methode der Sprache und ihrer Erforschung verdankt. Geradezu zwangsläufig trifft die so erworbene Einstellung immer wieder auf geschichtliche Situationen, in denen die Grenzen von Bild- und Worterfahrung zum Gegensatz verhärten, der immer dann konflikthaft aufbricht, wenn das Wort als Zuflucht vor den Versuchungen der Bilder herhalten muß – in den Bilderstreiten und -stürmen, in den Bilderängsten, die auch heute noch spürbar sind. Alles das lebt in rationalisierter und institutionalisierter Form in der Kunstwissenschaft fort, in der das Kunstwerk seit Hegel seine Finalität hat.
Seit mehr als fünfzehn Jahren lebe und arbeite ich in der Bundesrepublik. Für den Wiener ist diese Sprachlandschaft In- und Ausland zugleich, vertraut und doch auch erstaunlich unzugänglich. Das hat auch seine lehrreichen Seiten. Ich kann mich von der idiomatischen Färbung meiner mitgebrachten Sprachhöhen nicht trennen. Eine gewisse Beiläufigkeit des Umgangstons schützt mich gegen die bewundernswert eindeutige Formulierungsfreude, die mir hier allerorten begegnet und deren Selbstsicherheit mich immer noch verblüfft. Aber das Lässige ist gegenüber dem Gestrafften nicht unbedingt im Nachteil. Es hat transitorische Umrisse, die sich der erwähnten »Stilmischung« anbieten.
Als Verzicht aufgefaßt, wurzelt diese Ungewißheit in Mißtrauen. Mehr noch: sie kommt aus der Einsicht in die schiere Unmöglichkeit, die sprachliche Mitteilung in den Kontur der Eindeutigkeit zu pressen. Wie so oft ist auch hier – um Kraus zu paraphrasieren – das Problem die Lösung. Der hochsprachliche Begriffsapparat – also die Schauseite des Jargons der Wissenschaftlichkeit – kann demnach niemals unwiderrufliche Behauptungen aufstellen. In dem Maße, in dem ich mich bei meinen Urteilen der Sprache an die Hand gebe, weiß ich mich auf einem Terrain der abenteuerlichsten Überraschungen. Hier gerät freilich der über Kunstwerke und ihre Vielsinnigkeit Nachdenkende in Konflikt mit dem beamteten Museumsleiter, der begründete Ankaufsentscheidungen zu treffen hat. Das weiß ich, doch das steht auf einem anderen Blatt.