Franz Josef Czernin

Schriftsteller
Geboren 7.1.1952
Mitglied seit 2008

Meine sehr geehrten Damen und Herrn!

Ich komme aus Wien und lebe seit den siebziger Jahren zumeist auf dem Land. Vielleicht suche ich auch Natur, wenn aber, dann mindestens so sehr in der Sprache wie in Wäldern und auf Bergen.

Geboren wurde ich 1952, und man hat mir erzählt, ich hätte bald bestimmte Dinge durch erfundene Worte benannt. Wenn das wahr ist, vielleicht war dann diese erfundene meine natürliche Sprache. Die Sprache, die ich in der Sprachkunst suche, ist aber wohl gerade nicht diese, eher eine gleichsam übernatürliche, und das heißt für mich auch: eine veröffentlichende, allgemeinverbindende und grundlegende. Frei nach Kleists berühmtem Essay ahne ich sie dort, wo Willkürliches und Unwillkürliches oder Natürliches und Künstliches konvergieren oder auseinander entspringen.

Ich bin also, wenn ich das so anspruchsvoll sagen darf, der Dialektik verfallen; und dies, seit ich sehr früh und jugendlich Hegel und wenig später Adorno und Benjamin las. Davon habe ich mich, sei es zu meinem Gedeihen oder Verderben, nie erholt. Die Sprache, so will mir deshalb scheinen, kann das Letzte und das Erste, das Wort im Anfang und am Ende sein. Dazwischen soll sich, wie ich glaube, eine Poesie entfalten, die die gesellschaftlichen wie die natürlichen Kräfte so durchdringt, dass diese zu sich, und das heißt eben: zur Poesie kommen. Denn in der Poesie erst kann vollends offenkundig werden, dass das Lesen (wie Gershom Scholem in einem Gedanken zu Benjamins Sprachphilosophie meint) ein okkulter, namentlich telepathischer und, wie ich hinzufügen möchte, ein uns in die Wirklichkeit transfigurierender Vorgang ist.

Auf dem Gymnasium noch fing ich an, unter der Bank, Gedichte zu schreiben. Doch zog es mich zunächst auch zur Musik. Das war Ende der sechziger Jahre, und unter dem Einfluss mancher Rauschmittel phantasierte ich stundenlang auf dem Klavier. Das gefiel aber nur mir selbst; ich fürchte, mir ging es etwa so wie Grillparzers armem Spielmann, der nicht das hörte, was er spielte, sondern zu hören vermeinte, was er spielen wollte oder sollte.

Als ich erkannte, dass mir zu ernsthaftem Musikstudium einige Voraussetzungen fehlten, schien mir die Poesie schon den halben Weg entgegengekommen. Zunächst suchte ich mich an wechselnden Vorbildern zu schulen und schrieb einige Jahre, bevor 1978 erste Gedichte publiziert wurden.

Da ich zu Sprach-Mystizismus, Ozeanik, Ekstase, Glauben und Aberglauben fast jeglicher Art neige, trachte ich seit langem danach, meine schwachen analytischen Kräfte zu stärken; zum einen, indem ich mich dann und wann an literaturkritischen und literaturtheoretischen Aufsätzen und philosophischen Aphorismen versuche; zum anderen habe ich mich seit Anfang der achtziger Jahre einigen Studien in analytischer Philosophie hingegeben. Mein mir eigenes »Erdensekretariat der Genauigkeit und Seele« will errichtet werden, doch die Widerstände, äußere wie der innere, sind groß.

In diesem Sinn versuche ich mich schon seit langem an einer Theorie der poetischen Metapher, die mir erlauben soll, den – wie ich es wohl allzu anspruchsvoll nenne – poetischen Mythos der Transsubstantiation von Dingen ins Wort oder von Worten in Dinge in theoretischer Form auseinanderzulegen. Diese Auseinanderlegung wird mir allerdings – wie ich jetzt, nach schon vielen Jahren diesbezüglicher Anstrengung, befürchte – wahrscheinlich nicht in hinreichender Klarheit möglich sein. Wenn ich mich darin nicht täusche, dann erlauben mir meine Expeditionen und Explorationen aber immerhin, die Extreme zu umfassen, durch die wir beim Lesen und Schreiben, wie es bekanntlich ein schon erwähnter Philosoph ausgedrückt hat, »hindurchzugehen« haben.

Ich danke der Deutschen Akademie für die Wahl zum korrespondierenden Mitglied.