Swati Acharya

Germanistin
Geboren 26.12.1965
Mitglied seit 2024

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Akademiemitglieder,

es ist eine große Freude und eine noch größere Ehre, heute hier zu stehen und mich Ihnen vorstellen zu dürfen. Eigentlich hätte ich die Vorstellungsrede mit einer etwas ungewöhnlichen Anrede beginnen können: „Verehrte Autorinnen meiner Primär- und Sekundärliteratur, und manche von Ihnen auch in der Überlappungszone…“ Denn das war genau meine allererste Reaktion auf die E-Mail von Herrn Präsidenten Ingo Schulze, als ich einen Blick auf die Mitgliedergalerie geworfen habe.

In Indien haben fast alle Namen eine Bedeutung, und als neugeborenes Kind weiß man natürlich nicht, ob der Name mit der späteren Entfaltung der Person oder überhaupt des Lebens im Einklang bleiben wird. Mein Vorname „Swati“ ist eine der Sternenkonstellationen in der indischen Astronomie, und man glaubt, (lyrisch gedacht) dass aus den Regentröpfchen, die während dieser Konstellation fallen, „Perlen“ entstehen. Für mich war die Begegnung mit der deutschen Sprache und später das „Sich in der Sprache zu Hause fühlen“ wie diese zauberhaften Regentröpfchen. Der Schimmer der Sprachperlen hat viele Etappen meines Lebens magisch beleuchtet, bereichert und mit Hoffnung erfüllt.

Ich wurde 1965 in einer kleinen Stadt in Indien geboren, die damals noch den Namen Poona trug – heute bekannt als Pune. Ein Ort, der damals als Zufluchtsort für viele Esoteriker galt und von vielen aus Deutschland als ein Ort der Selbstfindung und spirituellen Suche angesehen wurde. Mit dieser Art von Glückssuche konnte ich in meinen jungen Jahren wenig anfangen (auch heute ist das so), und meine erste Vermieterin in Berlin, die als Anhängerin dieser Sekte mich gerade deswegen aufgenommen hatte, weil ich aus Poona stamme, musste ich leider mit meiner Ahnungslosigkeit enttäuschen. Doch das wurde zu einer erlebten Lektion über die fragilen Grenzen zwischen der Aneignung des Fremden und der Entfremdung des Eigenen.

In einem Land wie Indien, in dem Mehrsprachigkeit eine alltägliche Selbstverständlichkeit ist, fiel es mir gar nicht schwer, eine ganz neue Sprache zu lernen. Die Stadt Pune hat übrigens eine 111 Jahre alte Geschichte des Deutschunterrichts. 1914 wurde dort der erste Deutschunterricht eingeführt. Wo andere Kriege führten, hat Pune mit Deutsch offensichtlich als einer Konkurrenzsprache zum Englischen neue philologische Strategien entwickelt. Mein persönlicher Weg führte mich dann zum Goethe-Institut in Pune, wo ich die deutsche Sprache erlernte. In Indien heißen die Goethe-Institute Max Mueller Bhavan, zu Ehren des Indologen Friedrich Max Müller, der an der Universität Oxford junge Studenten über die altindischen Texte und die erhabene Kultur Indiens unterrichtete. Diese jungen Studenten sollten bald als Kolonialoffiziere über das gleiche „erhabene“ Land herrschen.

Dies war der erste Schritt auf einer Reise, die mich zu einem Studium der Germanistik an der Universität Pune und später an der Jawaharlal Nehru Universität in Neu-Delhi führte. Neben dem Studium der Germanistik haben mich die deutschen Filme des Neuen Deutschen Kinos nachhaltig geprägt. Man wusste es zu schätzen, wenn es Retrospektiven von Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog, Wim Wenders, Helma Sanders-Brahms oder Alexander Kluge liefen. Eifrig sog ich alles auf, auch wenn ich für diese Veranstaltungen 20 km radeln musste. Literatur- und Filmfestivals, wie sie heutzutage weit verbreitet sind, waren damals, in den 80er Jahren, noch keine Selbstverständlichkeit mit leichtem Zugang.

Die Tatsache, dass ich aus einer Familie stamme, in der Deutsch nicht selbstverständlich war, gibt mir immer wieder Gelegenheit, über meine Beschäftigung mit der deutschen Sprache und Dichtung neu zu reflektieren. In gewisser Weise war die deutsche Sprache nie eine „Kulisse“ in meiner Biografie – sie war ein eigener, lebendiger Raum, der durch meine eigenen Erfahrungen und Begegnungen Form annahm. Deshalb ist es seit einigen Monaten eine große Freude, in meinen Kreisen, aber auch auf öffentlichen Kanälen in Indien wie dem Rundfunk, über die Akademie zu sprechen. Es stößt immer auf eine fast ehrfurchtsvolle Resonanz, wenn man die Leute auf das Gründungsjahr der Akademie aufmerksam macht und erkennt, wie weitsichtig die Gründungsmitglieder der Akademie waren, als sie an die Sprache und Dichtung als geistige Nahrung der Gesellschaft dachten. Über die Ausdrucksfreiheit als einen der Beweggründe der Akademie zu sprechen, gewinnt gerade in der aktuellen politischen Lage Indiens subversive Konturen (worüber ich mich sehr freue und das bewusst betone).

Dass ich nun in diese, mit Liebe zur Sprache und Dichtung pulsierende Akademie aufgenommen worden bin, lässt meine Perlensammlung 2025 noch einmal schimmern. Mein aufrichtiger Dank an die Akademie geht von Pune nach Bozen und wieder zurück.