Imre Kertész

Schriftsteller
Geboren 9.11.1929
Gestorben 31.3.2016
Mitglied seit 1997

Friedrich-Gundolf-Preis

Verehrte Akademie, meine Damen und Herren, kürzlich las ich ein wunderbares Buch, Isaak Bashevis Singers autobiographischen Roman. Darin schreibt der Autor, die Geschichte des jüdischen Volkes sei eine einzige grandiose Schmuggelleistung: sich durch Völker und Gesetze hindurchzuschlängeln, die uns zum Tode verurteilt haben. Es finden sich aber auch ein paar Unersättliche – wie Singer selbst –, die sich nicht mit dem bloßen Resultat zufriedengeben, sondern ihr Leben darauf gründen, es künstlerisch zu gestalten. In diesem Fall hat man nicht nur sich selbst, sondern auch sein Werk von einem Ort zum anderen zu schmuggeln – zum Beispiel von einer Sprache in die andere, oder durch die ideologischen und realen Panzerfallen von Diktatoren hindurch, ins Freie. Solche Schmuggelarbeit beschäftigt einen viel zu sehr, als daß man das Risiko seines Unternehmens abwägen könnte. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung nämlich hat, indem sie mich zu ihrem korrespondierenden Mitglied wählte, der Schmuggelware den Stempel der Legalität aufgedrückt – einem Werk, das doch gerade aus der unvergleichlichen Intimität des Erlebens von Illegalität hervorgegangen ist. Dennoch habe ich nicht das Gefühl, in Rollenirritation gekommen zu sein. Im Gegenteil, die Mitgliedschaft in der Akademie verpflichtet mich meiner Auffassung nach, noch entschiedener auf meiner alten Lebensansicht zu beharren. Ich danke Ihnen, daß Sie mich in Ihre Reihen aufgenommen haben.