Anglist und Übersetzer
Geboren 25.11.1938
Mitglied seit 1994
Zu den Gattungsmerkmalen der ›Selbstvorstellung‹, meine Damen und Herren, gehört unweigerlich ein gewisser konfessionaler Ton, sowie der mehrfache Gebrauch der ersten Person Singular. Zum Ausgleich für diese notwendigen Übel beginne ich mit einem Bibelzitat: »Hüte dich, mein Sohn, vor andern mehr; denn viel Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde« (Prediger Salomo 12, 12). Obgleich ich ihre Berechtigung nur allzusehr anerkenne, habe ich diese doppelte Warnung leichtfertig in den Wind geschlagen. Denn ich bin von Berufs wegen eine Art ewiger Student, und vom Büchermachen kann ich – wie so viele in diesem Saal und in dieser Buchmessestadt – die Finger nicht lassen. Wie das kam, und warum es so kommen mußte, ist rasch berichtet.
Ich bin ein Kind des letzten Friedensjahres (aber was für ein Frieden!) vor dem großen Debakel: 1938 in Dresden geboren. Der Feuersturm auf die Stadt ist die lebhafteste Erinnerung meiner frühen Kindheit. Ein derartiger Anschauungsunterricht im prägsamen Alter muß meinen Hang zur Friedfertigkeit und zur Skepsis merklich verstärkt haben. Die Fortsetzung meiner Kindertage fand in einem fränkischen Dorf statt. Ein idyllischer Flecken, aber wie das die Idylle so an sich haben, war dort (außer den Jahrgängen der Gartenlaube auf dem Speicher) nicht viel Lesbares zu finden. Als Reaktion auf die Enge der Verhältnisse machte sich ein gewaltiger Lesehunger bemerkbar: der Benützerausweis der Erlanger Stadtbücherei wurde mein erstes Sesam-öffne-dich zu den Schatzhöhlen des Gedruckten. Der altsprachliche Drill meines Gymnasiums und die Sehnsucht nach offenen Grenzen trieb mich den modernen Fremdsprachen in die Arme. Es war eine Umarmung auf Dauer (doch, so etwas gibt es), eine Erotik, die sich seltsamerweise nicht zur reibungsarmen Routine des beruflichen Umgangs verflüchtigen wollte. Heute tarne ich meinen – etymologisch verstandenen – Dilettantismus mit dem ehrbaren Etikett der Vergleichenden Literaturwissenschaft.
Ich hatte Glück mit meinen akademischen Lehrern, dem Romanisten Erich Köhler in Heidelberg und dem Anglisten Wolfgang Clemen in München. Dank ihrem Beispiel hielt ich die Literaturliebe bei Literaturwissenschaftlern lange Zeit für bare Selbstverständlichkeit – später merkte ich: sie ist eher die Ausnahme. Ebenso selbstverständlich war mir eine Universität, die geistige Entdeckerfreude vorzuführen und mitzuteilen weiß, ein analytisches Denken ohne Bedarf an Jargon und modischen Verrenkungen, und eine Lehre, die anregt und ermutigt, ohne zu gängeln. Bis heute weigere ich mich, diese Erfahrung als rückwärtsgewandte Utopie zu verleumden.
Das Übersetzen, dem ich den überraschenden und ehrenvollen Ruf in Ihre Mitte verdanke, ist für mich seit einem Vierteljahrhundert die natürliche Fortsetzung meiner Philologie. Denn ich habe nie begriffen, wie eine Literaturwissenschaft die literarische Öffentlichkeit so völlig aus dem Blick verlieren konnte, absorbiert vom eigenen, vielfach leerlaufenden Betrieb. Meine berufliche Grenzgängerei zwischen den Sprachen wollte noch anders produktiv werden als nur auf analytischem Weg. Da die kritische Textanalyse der erste Schritt zur Übersetzung ist, lag es nahe, auch noch den zweiten zu tun. Die philologische Sinnfrage schien mir mit diesem Schritt eindeutiger beantwortet als durch das Gros der akademischen Fachtagungen und Festschriften.
Am Anfang jeder Übersetzung steht ein doppelter Glaubensakt: das Vertrauen in die fortdauernde Lebensfähigkeit des gewählten Textes (denn um Archäologie geht es mir nicht), und in die Fähigkeit der eigenen Sprache, ihn produktiv umzusetzen. Durch die spannungsreiche Stilistik elisabethanischer Schelmenromane und barocker Essays geschult, wagte ich mich schließlich an die Dichter: Donne, Quevedo, französische Renaissancepoeten und anderes mehr. So lernte ich das Übersetzerglück kennen, das wie eine bewußtseinssteigernde Droge wirkt, doch – hoffentlich – ohne das kritische Vermögen zu suspendieren. Die deutsche Universität hält solche Neigungen eher für unschicklich, dem Feuilleton, das im Kult des Aktuellen aufgeht, sind sie zu entlegen.
So wohnlich habe ich mich zwischen allerlei Stühlen eingerichtet, daß mir beim Anblick eines noch so einladenden Akademiestuhles etwas mulmig wird. Aber die Freude überwiegt. Ich danke Ihnen für diese Wahl.