Literaturkritiker und Publizist
Geboren 16.9.1921
Gestorben 6.4.2006
Mitglied seit 1995
Akademien sind, in der Regel, Versammlungen Ungleicher unter Ungleichen, ob sie nun aus siebzehn oder aus vierzig Mitgliedern bestehen. Jedenfalls war das in meiner Jugend so, und die Existenz solcher scheinhaften oder auch gelegentlich wahren Eliten erscheint mir noch heute so wenig demokratisch wie ihre stete Erneuerung durch Kooptation. Sie haben etwas vom Klüngel oder der Clique an sich, und wenn deren Mitglieder ihren Status ernst nähmen, wäre jedes verantwortlich auch für das, was jedes andere tut oder sagt. Da das nun einmal so ist oder war, habe ich mir lange überlegt, ob gerade ich geeignet wäre, einer solchen Institution beizutreten. Wenn die Darmstädter Akademie so beschaffen wäre wie andere, dann hätte ich schlecht am selben Orte weilen können wie einer, der im vorigen Jahr einer ehrenwerten Person zugerufen hat: »Sie sind entlassen!«,* als wäre es seine Aufgabe solche zu feuern, die er nicht einmal geheuert hat, jemanden mit anderen Worten, der nichts als seine Pflicht getan hat, ob diese Pflichterfüllung der Akademie nun behagte oder nicht. Oder auch nur ihm persönlich. Schließlich habe ich mir zugeredet, daß die Darmstädter Akademie etwas anderes sei als die zuvor erwähnten altehrwürdigen nationalen Akademien, und auf ihre Art trotz der Kooptation durchaus demokratischer. Sie stellt sich mir dar als ein vernünftiger, wenn auch manchmal willkürlicher Durchschnitt der Welt deutscher Gelehrsamkeit und Poesie, was zur Folge hätte, daß es in einer solchen Versammlung notwendig nicht nur Frauen und Männer geben kann, die der Einzelne mag und billigt, sondern auch solche, die er bisweilen mißbilligt. Ich habe auch, mit größerer Anstrengung, mein zweites Bedenken überwunden, das, das mit meinem fortgeschrittenen Alter zu tun hat. Junge Begabungen tun einer Akademie meiner Meinung nach wohler als Leute, die mit einigem Recht von sich sagen können »Nun hat das tückische Alter mich / Mit seiner Krücke getroffen«, aber wie die Dinge liegen, werde ich der Darmstädter Akademie vielleicht nicht allzulange zur Last fallen. Zu meinem Leben und Werdegang ist wenig zu sagen, höchstens daß ich zweimal Glück gehabt habe. Das erste Mal in den zwölf Jahren, die ich an Universitäten verbracht habe, als ich den Lehrer fand, von dem nicht einmal zu träumen ich gewagt hätte und bei dem ich nach vielen Jahren in der eher ariden und völkisch gewordenen Germanistik eine Ahnung davon erworben habe, daß Literatur nichts primär Nationales ist, sondern ein zusammenhängendes, durch geschichtliche Bedingungen und persönliche Wahl strukturiertes Teilganzes, wo das Ganze eine Fiktion und niemandem zugänglich wäre. Mit den mir zugänglichen Teilen dieses Gebildes mich zu begnügen, hoffe ich im Lauf der Zeit gelernt zu haben. Das zweite Mal in weiteren zwölf Jahren, die ich in einem Verlage verbracht habe, in dem sich mir so etwas wie eine andere, neue Welt auftat, eine Welt, die nicht länger die der Seminare und Bibliotheken war, sondern die ganz ungewöhnlich belebte Welt von Bücherschreibenden und Büchermachenden, die mich in Grenzen gelehrt haben, wie Literatur entsteht und was ihre Praxis ist, mit allen ihren Stärken und Schwächen, ihren Taten und ihren Eitelkeiten, ihrer Dankbarkeit und Undankbarkeit, ihren Taktiken und Strategien, vor allem aber: was ein Markt ist, wie man ihn bedient und selbst wie man ihn durch Beharrlichkeit überlisten kann. Die einen wie die andern zwölf Jahre liegen lange zurück. Missen möchte ich weder die einen noch die andren, weil es ja gut sein könnte, daß ich seitdem von beiden zehre. Mehr habe ich nicht zu sagen, bis auf den freiwilligen Satz: Ich danke Ihnen für Ihre Wahl.