Günter Blöcker

Journalist und Schriftsteller
Geboren 13.5.1913
Gestorben 21.1.2006
Mitglied seit 1965

Johann-Heinrich-Merck-Preis

In meinem Abiturzeugnis stand: »Blöcker will Journalist werden.« Wer im Jahre 1933 diesen Berufswunsch hegte, befand sich in einer mißlichen Situation – die Themen und Personen, über die ich hätte schreiben mögen, waren nicht mehr genehm. Ich entschloß mich deshalb, als Dramaturg und Regisseur zum Theater zu gehen, wo man – anders, als die heutige Lesart es will – einigermaßen unbehelligt überleben konnte. Vorangegangen war eine zweijährige Ausbildung in der Regieklasse der Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin, erwähnenswert auch deshalb, weil dort Mitte der dreißiger Jahre noch unter einem imposanten Bild Max Reinhardts gelehrt und gelernt wurde. Später, im Krieg, bot der Film eine weitere Ausweichmöglichkeit, nicht zuletzt vor dem Zugriff des Militärs.

Nach dem Krieg dann die Verwirklichung des ursprünglichen Berufsziels. Ich schrieb zunächst für den Berliner Tagesspiegel, beginnend mit einem Aufsatz über den amerikanischen Dramatiker Clifford Odets, dessen sozialkritisches Schauspiel Awake and Sing ich mitübersetzt hatte. Es folgten Fingerübungen in nahezu allen Bereichen des Feuilletons: Glossen, Polemiken, Buchrezensionen, Autorenporträts, Gedenkaufsätze, Nachrufe, Reiseimpressionen, Theaterkritiken. Manches davon unter Pseudonym, da Erik Regers Verlegerstolz es nicht zuließ, daß ein Name (noch dazu ein wenig bekannter) womöglich mehrfach in ein und derselben Nummer auftauchte. Innerhalb der breiten thematischen Fächerung erwiesen sich Buchrezension und Literaturkritik mehr und mehr als Schwerpunkte. Andere Blätter begannen Interesse zu zeigen; und so wurde ich im Laufe der Jahre literarischer Mitarbeiter zunächst der Süddeutschen Zeitung, dann der Frankfurter Allgemeinen, des Merkur und etlicher Rundfunksender.

Gab es Selbstzweifel? Schließlich fehlte mir das traditionelle philologische Rüstzeug. Ich hatte nie eine Universität besucht, war nicht akademisch abgesegnet. Wenn es Bedenken gab, so wurden sie zerstreut. Ich vertraute meinem literarischen Qualitätsgefühl, verließ mich auf meine kritische (auch selbstkritische) Sensibilität, und ich hatte das Glück, Gönner und Förderer zu finden, die mich ermutigten und bestätigten, unter ihnen Max Rychner und Friedrich Sieburg. Zwei Sätze Max Rychners aus seinen Briefen an mich haben für mich leitsternhafte Bedeutung gewonnen. »Musikalischen oder malerischen Sinn gesteht man bei uns ganz gern jemandem zu, nicht aber literarischen. Und doch gibt es das auf so ›gottunmittelbare‹ Weise wie das andere.« Und: »Was auch nur wenige einsehen: daß der Kritiker zunächst ein Schriftsteller ist, ein Mensch der Ausdruckslust, ein Spracherotiker – wer bringt das den Leuten bei?«

Ein weiterer, längst verstummter Lehrmeister wurde für mich Moritz Heimann, dessen dreibändige Schriften (1918 bei S. Fischer erschienen) ich schon als älterer Schüler antiquarisch erworben hatte und die, wassergeschädigt durch Krieg und zahlreiche Umzüge, noch heute einen bevorzugten Platz in meiner Bibliothek einnehmen. Moritz Heimann bestand auf der vollen Souveränität der Kritik. Kritik sei weder Kunst noch Wissenschaft, obwohl sie Züge von beiden habe; sie sei »ein Ding für sich, aus eignem Quell mit eigner Macht«. Mehr als nur Ordnerin und Begleiterin, nehme sie ihren »eignen Flug«, folge sie ihrer »besonderen Genialität«. Das sind große Worte, zu große vielleicht, wenn man auf die Praxis blickt. Aber auch sie waren mir wichtig und haben, wie utopisch sie immer sein mögen, ihren Platz in meinem Bewußtsein.