Walter Jens

Altphilologe, Schriftsteller und Übersetzer
Geboren 8.3.1923
Gestorben 9.6.2013
Mitglied seit 1962

Ich wurde am 8. März 1923 in Hamburg geboren, besuchte dort die Gelehrtenschule des Johanneums, studierte in meiner Vaterstadt und in Freiburg (Br.) Klassische Philologie und Germanistik, promovierte, einundzwanzigjährig, im Dezember 1944 mit einer Arbeit über die Stichomythie in der frühen griechischen Tragödie, habilitierte mich 1949 in Tübingen – Thema: »libertas bei Tacitus« –, wurde 1956 zum Professor ernannt und bin jetzt Inhaber des Lehrstuhls für Klassische Philologie und allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen. Meine wissenschaftlichen Publikationen galten in erster Linie der griechischen Tragödie und dem Nachleben der Antike (Hofmannsthal und die Griechen, 1955).
Sieben Jahre lang, von 1950 bis 1957, habe ich mich, neben meiner Tätigkeit an der Universität, auf dem Feld der erzählenden Prosa umgetan: Nein – Die Welt der Angeklagten (1950); Der Blinde (1951); Vergessene Gesichter (1952); Der Mann, der nicht alt werden wollte (1955); Das Testament des Odysseus (1957). Später, als mir – unter dem Aspekt der Erkenntnis-Vermittlung – das Fabulieren all zu unverbindlich und zufällig erschien, habe ich mich darum bemüht, im Essay und im Traktat, in der Parabel und der epideiktischen Rede eine Verbindung zwischen Poesie und Wissenschaft herzustellen: Statt einer Literaturgeschichte (1957, 5. wesentlich erweiterte Auflage, 1962); Deutsche Literatur der Gegenwart (1961) und vor allem Die Götter sind sterblich (1959) sowie Herr Meister (1963).
Das kritisch-didaktische Geschäft, Pädagogik in litteris ist mir in den letzten Jahren immer wichtiger geworden: deshalb die Rezensionen (»Mein Buch des Monats« in der Zeit); deshalb die Reden (»Plädoyer für das Positive in der modernen Literatur«); deshalb vor allem mein Tübinger Colloquium über Probleme der deutschen Literatur unserer Zeit.
Ich werde 1963 vierzig Jahre alt, das ist ein Einschnitt. Wenn die Götter freundlich sind, möchte ich mich von nun an, viel weniger als bisher publizierend, ganz der Rhetorik zuwenden. Wissenschaft, Poesie und Pädagogik: hier kann, in schöner Synthese, alles zu seinem Recht kommen; mit viel Arbeit, Mühe und Glück ließe sich vielleicht jene Personalunion Gelehrter-Schriftsteller-Rhetor herstellen, die mir erstrebenswert erscheint.