Reinhard Jirgl erhält den Georg-Büchner-Preis 2010

9. Juli 2010

Reinhard Jirgl erhält den Georg-Büchner-Preis 2010

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den mit 40.000 Euro dotierten Georg-Büchner-Preis 2010 an den Schriftsteller Reinhard Jirgl, der in einem Romanwerk von epischer Fülle und sinnlicher Anschaulichkeit ein eindringliches, oft verstörend suggestives Panorama der deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert entfaltet hat. Mit großer erzählerischer Sensibilität und Leidenschaft – geschützt durch den Firnis eines avantgardistischen Schreibgestus – erzählt Jirgl von den Aufbrüchen und Katastrophen, den Kriegen und Vertreibungen, den Zeiten der Teilung und der schwierigen Vereinigung. Dabei lässt er die historischen Umbrüche aus unterschiedlichsten Perspektiven alltäglichen Erlebens gegenwärtig werden und macht – so zuletzt in den großen Romanen „Die Unvollendeten“ und „Die Stille“ – die Stimmen der Vergessenen und Verschütteten wieder hörbar. Die Verleihung des Georg-Büchner-Preises an Reinhard Jirgl findet am 23. Oktober 2010 im Staatstheater Darmstadt statt.

Reinhard Jirgl wurde am 16. Januar 1953 in Berlin (DDR) geboren. Er machte eine Lehre als Elektromechaniker und studierte danach ab 1971 Elektronik an der Berliner Humboldt-Universität. Noch während des Studiums begann er mit ersten Prosatexten. Ab 1975 arbeitete er als Ingenieur, gab seinen Beruf 1978 jedoch auf, um sich mehr dem Schreiben widmen zu können. Seinen Unterhalt verdiente er als Beleuchtungs- und Servicetechniker an der Berliner Volksbühne. Als er 1985 sein erstes, umfangreiches Manuskript „Mutter Vater Roman“ beim Aufbau-Verlag Berlin einreichte, wurde ihm eine „nichtmarxistische Geschichtsauffassung" vorgeworfen und die Veröffentlichung des Romans verweigert. Jirgl jedoch setzte das Schreiben in aller Heimlichkeit fort. Bis zur Wende 1989 lagen sechs fertige Manuskripte vor – ohne dass ein einziges Buch von ihm veröffentlicht worden wäre. In der unmittelbaren Nachwende-Zeit 1990 konnte sein erstes Buch „Mutter Vater Roman“ in einem von Gerhard Wolf edierten Literaturprogramm beim Aufbau-Verlag erscheinen. Die entscheidende Änderung in der öffentlichen Wahrnehmung, seine persönliche Wende, wie Jirgl es beschreibt, kam schließlich 1993, als er für das Manuskript seines Romans „Abschied von den Feinden“ mit dem Alfred-Döblin-Preis ausgezeichnet und Autor des Carl Hanser Verlags wurde, wo seitdem seine Bücher erscheinen. 1996 gab Jirgl die Tätigkeit als Techniker an der Berliner Volksbühne auf und arbeitet seitdem als freier Schriftsteller in Berlin.

Veröffentlichungen
Die Stille. Roman. Carl Hanser Verlag München, 2009
Land und Beute: Aufsätze aus den Jahren 1996 bis 2006. Carl Hanser Verlag München (Edition Akzente), 2008
Abtrünnig. Roman aus der nervösen Zeit. Carl Hanser Verlag München, 2005
Die Unvollendeten. Roman. Carl Hanser Verlag München, 2003
Gewitterlicht. Erzählung/Essay. Revonnah-Verlag Hannover, 2003
Genealogie des Tötens. Drama und Prosa. Carl Hanser Verlag München, 2002
Die atlantische Mauer. Roman. Carl Hanser Verlag München, 2000
Hundsnächte. Roman. Carl Hanser Verlag München, 1997
Abschied von den Feinden. Roman. Carl Hanser Verlag München, 1995
Das obszöne Gebet. Totenbuch. Roman. Roland Jassmann Verlag Frankfurt/M., 1993
Im offenen Meer. Schlichtungsroman. Roman, Luchterhand Literaturverlag Hamburg, 1991
Uberich. Protokollkomödie in den Tod. Kurzroman, Roland Jassmann Verlag Frankfurt/M., 1990
Mutter Vater Roman. Aufbau Verlag Berlin, 1990

Auszeichnungen
2009 Grimmelshausen-Literaturpreis
2009 Lion-Feuchtwanger-Preis
2007 Stadtschreiber von Bergen-Enkheim
2006 Bremer Literaturpreis
2004 Eugen Viehof Ehrengabe der Deutschen Schillergesellschaft von 1859
2004 Dedalus-Preis für Neue Literatur
2003 Rheingau Literaturpreis
2003 Kranichsteiner Literaturpreis
1999 Josef-Breitbach-Preis
1998 Johannes-Bobrowski-Medaille
1994 Marburger Literaturpreis
1993 Alfred-Döblin-Preis
1990 Anna-Seghers-Preis
Seit 2009 ist Reinhard Jirgl Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

9. Juli 2010

Kontakt:
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