Wolfgang Weyrauch

Writer
Born 15/10/1904
Deceased 7/11/1980
Member since 1967

Nein

... in einem Kellerloch befindlich, mich befindend in einem U-Bahn-Clo, in einer Crypta hockend, kauernd in einem Gully, in einem Tunnelschuppen knieend, liegend in einer Waldgebirgshöhle...
... konjunktivisch, liebe Leute, meine ich das... oder irgendwo sonst, wo ich kein Aas wäre, sondern ein Springbock: ich spränge von da nach dort, außer mir, irr, ein wilder Mann, ein Narr, und wäre in einem einzigen Augenblick da weggewesen und dort hinzugekommen, anders als bisher, ein andrer, voll von Tugenden, oder doch wenigstens einer Tugend teilhaftig, weil keiner mehr als eine Tugendhaben kann, aber sich sehnend nach der Tugend der Tugenden: nach dem Verzicht auf sich selber... im Konjunktiv, Leute, ist das zu verstehen... oder mittenhinein fliehend, Autofriedhof, Filmtheater, Fußballplatz, fliehend von da, um nach dort zu gelangen, und, mitten unter den Ursulas und Christians, den jüngsten Mireilles und Uwes, das erste zu tun, was mich aus mir entfernen könnte... als Konjunktiv gedacht, bitte... was aber wäre das erste? Wohl, nein, nicht wohl, sicher wäre das erste etwas von außen, wobei gefragt werden sollte, ob außen und innen nicht einunddasselbe sind; innen oder außen, es wäre mein Paß, es wäre seine Durchsicht, meine Verachtung für ihn, meine Erklärung, daß er, jedenfalls für mich, ungültig wäre, es wäre seine Zerstörung... mein Paß, sozusagen der von jedermann, ist grün; die Farbe Grün ist paradiesisch, sie ist für 32 Seiten Falschheit und Fälschung zu schade, schwefelgelb wäre besser; sogar Leinenersatz ist falsch, das vergammeltste Papier wäre richtiger, eine Seite statt sovielen, zuvielen, worauf steht, was keinen etwas angeht, außer mich selber, und obendrein teilt es bloß mein So-ist-es mit, aber mein Ist-es-so, mein So-ist-es-nicht, mein So-war-es, mein So-wird-es-sein läßt es aus...
... gesetzt den Fall, ich hätte das grüne Gehege vernichtet, was hätte ich davon, ich, der ich von nun an kein Stotterer mehr sein möchte, keiner, der Ja zum einen, Nein zum andern sagt, bald so, bald anders, wies grade kommt; ob es aber aus den Veitstänzen, aus den Erdbeben, aus den Wüsten, aus den guernikanischen Schreien herausholt, ob es aus der Not hilft, das ist dem feigen Sohn der Charta des Menschen und der Menschen gleich; ach, was hätte ich davon, und was hätten also die ändern davon, meine Freunde, die Fußgänger, die bloß darauf warten, daß irgendeiner, nicht ich allein, indes, auch ich, ein Aber-sager wird, zur rechten Zeit, am rechten Ort...
... dies überlegend, wäre, scheint mir, die Vertilgung des Ausweises eher ein Ersatz; denn was enthält das papierne Ding schon, es, das kein Geisterpapier ist; nichts als den Zunamen, die Vornamen, welche Schatten sind, nichts als die Benennung des Staats, dem man angehört, doch nicht gehört, nichts als die Zahlen der Geburt, der Strecke zwischen Haar und Sohle, Daten, keine Kerben, nichts als die Orte, wo einer geboren ist, und wo er wohnt, Füllsel, keine Entscheidungen, nichts als die Augenfarbe, die Gesichtsform, ja, so und so sind sie, aber die Lippen und Zähne wurden vergessen, die Ohren, die Nasenlöcher; dafür schreibt man besondere Kennzeichen auf, das heißt, man notiert sie nicht, weil man sie nicht kennt, das Gerechte und das Unbarmherzige, das Ungeduldige und das Mumifizierte, das Chthonische und das Lessinghafte...
... Schriftsteller, das wäre ich? Jemand, der, Bettelmönch und Thomas Münzer in einem, sich selber geißelt, damit die andern nicht gegeißelt werden, der fragt und fragt: wie geht es Ihnen? Aber die Erkundigung ist keine Höflichkeit, sondern ein Schlag ans Menschentor, Teil von einer Doppelpunktsliteratur, die fragt, statt zu antworten; antworten aber, hinter dem letzten geschriebenen Satz, der mit dem Doppelpunkt endet, antworten sollte der Leser, so daß keiner von beiden allein ist, ja, beide, Leser und Schreibender, stützen einander sogar; folglich zweifle ich daran, ob es gut wäre, wenn ich mich in irgendeiner Höhle aufhielte, wie am Anfang ausgedacht, oder mich hineinbegäbe; ja, bin ich denn, in irgendeinem Kellerloch befindlich, einer von jenen Fragestellern, welche die Blendungen und Blindheiten lichten könnten, bin ich ein Satzmacher, ein Verwörtlicher, ein Buch-Stab aus unserm ABC, bin ichs... ich frage indikativisch...