Translator and Essayist
Born 13/6/1953
Member since 2021
Sehr geehrte Mitglieder der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, sehr geehrter Herr Präsident!
Als Erstes und Wichtigstes möchte ich der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung meinen Dank aussprechen dafür, dass sie mich in ihre Reihen aufgenommen, mich zu ihrem Mitglied gewählt hat, dass mein Name nun neben von mir so geschätzten und geliebten Autoren wie Imre Kertész und Ilse Aichinger und so vielen anderen steht – Es ist alles sehr seltsam, es ist kaum denkbar. Dass ich eines Tages vor Ihnen stehen würde, war sicher undenkbar, als ich Anfang der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts in Santiago de Chile als Sohn ungarischer Eltern geboren wurde. Undenkbar war es auch, als ich Mitte der Sechzigerjahre als Halbwüchsiger nach Wien kam und dann an einem Herbsttag stumm in der Schule saß und staunend dem Unterricht zuhörte, von dem ich kein Wort verstand. Ein Jahr später kaufte ich mein erstes Buch in Wien. Plötzlich stieg ich aus der Straßenbahn, überquerte die Währinger Straße und erstand in einer Buchhandlung, die es nicht mehr gibt, einen Band mit Gedichten von Hölderlin. Das Buch habe ich immer noch, es besteht aus einer Menge loser, vergilbter Blätter. Seit jener Zeit ist mein Bezug zur deutschen Sprache ungebrochen. Und dieser Bezug hat sich durch die Distanz nur verstärkt. Ich lebe seit vierzig Jahren in einer spanischen Kleinstadt am Mittelmeer. Man muss die Fremde durchschreiten, um zur wirklichen Sprache zu gelangen. Welche Sprache ist das? Die Sprache der Dichtung. Es ist meine Überzeugung, dass in der Dichtung, in der Literatur die Sprache Wirklichkeit wird, dass in der Dichtung, in der Literatur das Deutsche, das Ungarische, das Spanische wirklich erscheinen. Und dass deswegen auch die Literatur das Dunkle und das Lichte sagen kann und sagt. In ihr bin ich zu Hause. In ihrem Haus arbeite ich als literarischer Übersetzer aus dem Deutschen und dem Ungarischen ins Spanische und als Schriftsteller, als ein Mitteleuropäer, der auf Spanisch schreibt. Nochmals vielen Dank!