Georg-Büchner-Preis

The Georg Büchner Prize was first established during the Weimar Republic by the State of Hesse. Its purpose was to recognise writers, artists, actors and singers. It was first awarded in 1923 in the state capital, Darmstadt.
Since 1951 the new Büchner Prize has been awarded annually by the German Academy for Language and Literature. According to the charter of the Academy, it is given to authors »writing in the German language whose work is considered especially meritorious and who have made a significant contribution to contemporary German culture.«
The prize is awarded at a ceremony held during the autumn conference of the German Academy in Darmstadt.
The prize currently comes with an award of €50,000.

Rainald Goetz

Writer
Born 24/5/1954

... der sich mit einzigartiger Intensität zum Chronisten der Gegenwart und ihrer Kultur gemacht hat. Er hat sie beschrieben, zur Anschauung gebracht und zu Wort kommen lassen, er hat sie gefeiert und verdammt und mit den Mitteln der Theorie analysiert.

Jury members
Juryvorsitz: Präsident Heinrich Detering
Aris Fioretos, László Földényi, Michael Hagner, Felicitas Hoppe, Wolfgang Klein, Per Øhrgaard, Ilma Rakusa, Gustav Seibt, Nike Wagner, außerdem Peter Benz (Stadt Darmstadt), Stefan Schmitt-Hüttebräuker (von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien), Günter Schmitteckert (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst)

Büchnerpreis


                                      flammende Zeichen
                                      hinter mir
                                      die Buchstaben brennen
                                      hör auf, komm mit, fang an

Jugend,

sehr geehrte Damen und Herren,
verehrte Akademie,

Spatz und Saturn, Wahn und Wirresein, Klarsicht, frei sein, Brutalität: jeden Herbst neu kann man sich daran freuen, daß Georg Büchner JUGEND heißt; und der Georg-Büchner-Preis im Widerspruch dazu AKADEMIE. Diese Spannung zwischen Jugend und Akademie, die der Preis feiert, erzeugt einen Teil seiner Leuchtkraft, sie kommt aus der Ferne und Gegensätzlichkeit dieser Welten. Der prekäre Akt der gesellschaftlichen Selbstaffirmation, wie er sich in der Preisvergabe ereignet, wird so vielleicht erträglich, durch die Anrufung des Gegenteils.

Wie wollen wir leben? Irr, fanatisch, destruktiv, schreit die Schrift, böse, ideal und realistisch kaputt. Was muß ich denken, um richtig zu verstehen, was ich fühle, wenn ich sehe, was passiert? Gar nichts, Haß, Delirien der Negativität. Die Diktatur der Schrift regiert ein Reich der Finsternis. Thomas Bernhard hat diese Urwahrheit in seiner Büchner-Rede benannt, hat zwanzigmal Tod, Verrücktheit und infame Lüge gesagt, fertig war die kürzeste und denkbar schönste Rede hier. Das war 1970. Darüber macht man sich heute eher lustig. Ich finde das falsch.

Jugend hat die Gesellschaft erobert, verwandelt, verbessert und ist selbst dabei kaputt gegangen, immer wieder, Peter Hein im neuen Fehlfarben-Video: Davon geht die Welt nicht unter, daß man sie zerstört. Und zeigt beim Singen sein unfaßbar zerstörtes eigenes Gesicht vor, das an die Houellebecqsche Selbstzerstörtheitsdemonstration heranreicht. Schau dir an, Gesellschaft, sagen die Gesichter dieser Künstler, was aus dem Ich hier wird. Der totale Ruin.

Diese gigantische Kaputtheit: entsteht aus lauter kleinen schlechten Erfahrungen, die man dauernd mit sich selbst und anderen macht, und es werden im Lauf des Lebens immer mehr. Das schlimmste an ihnen ist ihre totale Banalität. Das macht sie unerzählbar. Uwe Nettelbeck und Jörg Schröder haben den Versuch gemacht, die übliche Verkommenheit der Leute im Umgang miteinander zu dokumentieren, sind damit gescheitert. Es reicht nicht, den Schwachsinn vorzuführen, der Text muß ihn geistig erschließen, genau das kann die Position Querulant aber nicht leisten. Auch kein Zynismus, kein programmatischer Affirmationismus, keine noch so nachsichtsvolle Großzügigkeit, die alles souverän hinnimmt, kann den ganzen Erfahrungsdreck in irgend etwas Konstruktives verwandeln. Er sammelt sich in einem an, wird zu scheußlichen Gefühlen, falschem Denken, zu Ressentiment, Menschenverachtung und Skepsis. All das macht einen kaputt, zuerst am Geist, der Körper zeigt es vor.

Wie reagiert die Kunst darauf? VERZWEIFELT. Selten wird es gesagt: In welchem Ausmaß die Produktion von Kunst, die ein Element des Ekstatischen braucht, durch das Altern beschädigt, ruiniert, verunmöglicht wird. Das Leben zerstört die innere Stimme. Der Maßstab, dem ich mich früher nur öffnen mußte, um zu erfahren, was ich muß, soll, kann und darf und was nicht, ist verschwunden, es gibt da kein Ich mehr. In der Literatur, wo das Ich der Schrift alles ist, sind die Folgen katastrophal.

Eine für Produktion desaströse Unsicherheit resultiert. Nie war ich mir beim Schreiben so unsicher wie heute, täglich bin ich damit konfrontiert, heute, seit fünfzehn Jahren. Das Ich ist aus mir hinaus ausgewandert und in die Welt hinein, dort steht es mir fremd gegenüber, zum Verwechseln ähnlich den vielen anderen da draußen, und kein noch so aufmerksames, dem Weltich zugewendetes Fragen und Hören ergibt eine Antwort, die man unterscheiden könnte vom Text der anderen, die einem da gegenüberstehen. Das Schreiben altert nicht gut. Man erfährt es an sich selbst, sieht es an vielen Beispielen anderer. Man sieht Lähmung und Selbstplagiat, ranzig hochfahrendes Herrenmenschentum, forcierte Experimentalität und enthemmte Geschwätzigkeit, und geht selbst durch alle diese Stationen des Falschen.

Das ist der Augenblick der Akademie, Sie vergesellschaftet die individuelle Kaputtheit, das Ressentiment, die reaktionären Tendenzen im Schriftsteller, der durch seine isolationistische Produktionsweise den Versuchungen des Asozialen besonders stark ausgesetzt ist, auf die Art oft zu interessanten, aber oft auch besonders falschen Resultaten kommt. An anderen Schriftstellern, kaputten Ichspezialisten wie man selbst, relativiert sich der eigene Irrsinn. Dabei wird man nicht gedrängt, wie in den Organisationen der Angestelltenwelt, sich zu normalisieren, im Gegenteil, am Widerspruch anderer spitzt sich das Speziellindividuelle zu, das das eigene Schriftstellersein ausmacht:

Der eigene Text. Er hat den Auftrag, klar zu machen, was er sagen will. Das ist eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe, wenn sie, wie in der Literatur, den Gesetzen der Schrift untersteht. Das von ihr Gesagte muß neu sein, einem Geheimnis der Welt forscherisch zugewendet, dunkel, extrem, negativistisch, im Einzelsatz dennoch verständlich, das Ergebnis der Studie mitteilen, bei aller inneren Bockigkeit, der Freude an Provokation und Abweichung vom allgemein Dahergeredeten, doch eben dorthin, weltwärts und geredewärts gerichtet. Die totale Autologie des schriftbestimmten Textes erzwingt dabei, daß es keinen Vorwurf gibt, den er der Welt machen könnte, jeder Vorwurf richtet sich gegen den Text selbst, wird da als Impuls zur Selbstverbesserung aktiv. So entsteht Text, der erfaßt, wer man ist. Weil man das nur innerhalb des eigenen Textes weiß, das heißt Schriftstellersein, versucht man es immer wieder: Schreiben, Geistesgegenwart der Schrift zu sein.

Das ergibt die Distanz zum Sozialen. Denn um am Korpus der Schrift den Auskultationsbefund in Ruhe richtig erheben zu können, muß man allein sein. Dieses Lauschen, was in der Schrift vorgeht, was da flüstert und schweigt, ist die sinnliche Herzaktivität der literarischen Welterkenntnis. Das entfernt die Literatur von allen praktischen Weisen der Weltbehandlung, verfügt ihre unaufhebbare Exzentrizität und Marginalität. Aber im selben Moment der Stille, in dem der erkenntnisermöglichende Punkt der Ferne zum Sozialen erreicht ist, flieht die Literatur zurück ins Kollektiv der Redenden, bringt ihren Text mit, sucht den Lärm, wird Teil der Debatte, streitet, wirbt, ruft auf und: verschwindet wieder. Diese Bewegung, die den jeweiligen Punkt des Daseins als verfehlt, zu korrigieren und deshalb als Ausgangspunkt für das Fort von dort nimmt, gibt der Literatur ihre innere Unruhe, Anfänglichkeit, die aufgewühlt fortstürmende Dynamik.

Die Akademie hält ihre auf Dauer angelegte Verfaßtheit, ihr Dasein als Organisation, dieser Unruhe, der Flüchtigkeit und Fragilität im einzelnen Ich entgegen. Inbild ihrer Essenz, nahe an der der Literatur, ist die Totentafel, die auf einer Seite die verstorbenen Mitglieder des vergangenen Jahres versammelt. Früher war das so, Hinweis auf das Wissen um die Sukzession der Genealogie. Die Organisation vitalisiert sich über den Tod, beunruhigt sich auf diese Art. Und stellt sich ihr inneres Beben in der jährlich neu für immer gemeißelten Totentafel vor Augen.

Auf der Gegenseite der in der Totentafel Genannten stehen wir Preisträger als die, die den augenblicklichen Jetztmoment lang die Sicht der Akademie auf die sie umgebende Gesellschaft verkörpern. Der Preis richtet sein Licht auf die Position, die das Werk des Preisträgers sichtbar gemacht hat. Eine Mixtur aus Qualitäten des Ästhetischen, Politischen und individuell Persönlichen wird damit herausgehoben und mit einem vielfach konditionalisierten Ja belegt. An den Preisträger ergeht der Aufruf, sich zu der Gesellschaft zu bekennen, als deren Teil er von der Preisvergabe identifiziert worden ist. Die Einladung also anzunehmen und öffentlich zu sagen: ja, ich will. Ich bin dabei.

Das ist ein extrem untrivialer Akt. Es hilft sehr, daß der Büchner-Preis im Namen eines Außenseiters vergeben wird. Die wichtigsten Einrichtungen der Gesellschaft handeln genau davon, jedem einzelnen, egal wie sehr er auch real mitmacht, die Reserve der Unabhängigkeit, von Nichtdabeisein, sogar die der totalen Ablehnung des Ganzen zuzugestehen. Die Literatur kultiviert diese Reservate auf ihre Art. Sie steht am Rand, kommt aus der Fremde, aus anderen Ethnien und Berufen, absurden Passionen, Bürgertum, Theorie, Nachtleben, politische Radikalitäten, Religion, und nur wenn sie das Abseitige, was sie von dorther weiß, nicht aufgibt, sondern immer wieder erneuert, kann sie Relevantes zum Gespräch beitragen.

Immer im Oktober ist wieder Deutscher Herbst, jedes Jahr ist wieder Nacht von Stammheim, und alle zwei Jahre schaue ich wieder nach, wie war es nocheinmal genau gewesen im Oktober mit den Tagen des Todes, der Politik, Wartburgfest und Schlacht von Leipzig, den Tagen der Geburt: 17. Oktober Büchner, 18. Oktober Kleist geboren, und dazwischen, in der Nacht, die Toten von Stammheim, Raspe, Ensslin, Baader. Ein deutsches Datum, fast wie der 9. November. Zehn Jahre hat es gebraucht, von 1977 bis 1987, bis hier an dieser Stelle Erich Fried in seiner Rede auch an die Toten von Stammheim erinnert hat. 1977, bei der Preisvergabe an Reiner Kunze, vier Tage nach der Nacht von Stammheim, kam dazu, zu Stammheim, kein Wort.

Leise klingt da ein Vorwurf an, der einem ersten Gefühl auch entspricht, aber in Wirklichkeit ist diese Verspätung, deshalb erzähle ich davon, Hinweis auf eine der besten Qualitäten von Literatur überhaupt, auf ihre Langsamkeit, Sie stellt sich der Welt, aber langsam, das macht den Autor so panisch, unendlich langsam. Navid Kermani beschäftigt sich seit 1988, seit über fünfundzwanzig Jahren mit den Dingen, zu denen er jetzt aktuell in seiner Friedenspreisrede gesprochen hat. Nur deshalb erreicht sein von eigener Erfahrung, von Wissen, von Mitgefühl für das Leben anderer Menschen der Fremde so kompliziert mit Wirklichkeit aufgeladenes Denken über die Gegenwart von Krieg und Frieden, Flucht und Religion dieses Niveau, das zur öffentlichen Rede berechtigt.

In die Freude an der Rückkehr des politischen Schriftstellers, wie sie in den letzten Wochen von vielen geäußert worden ist, kann ich nicht einstimmen. Gerade das Beispiel von Navid Kermani zeigt, wie voraussetzungsreich eine Autorschaft gemacht sein muß, wie vielfach gebrochen, marginalisiert, davon betrübt und zugleich euphorisiert, wie sehr, bei aller Kritik, weltbegeistert sie sein muß, daß sie sich die Rolle des politischen Schriftstellers, die auch besonders schön leuchtet, Zutrauen darf.

Fehlt nur ein Komplikationselement, ist der Effekt unschön. Wenn man sich anschaut, wie Autoren, die politische Bücher geschrieben haben, jetzt zu den großen Themen und Weltkrisen öffentlich die parapolitischen Trivialitäten, die zur Zeit in jedem entstehen, allen Ernstes als eigene Sätze, die etwas Selbstgedachtes vertreten sollen, in Interviews daherreden und sich dabei sichtlich wohl fühlen, muß man sagen: Auftrag der Sprache, der Schrift, der Literatur verfehlt, Sprechakt eitel, unpolitische Aktion. Literatur, das wäre vielleicht: die Worte KANZLEI FÜR AUFENTHALTSRECHT und GROSSES HAUS DES STAATSTHEATERS irgendwo ablesen und dann möglichst reich und krank mit Sinn aufladen, immer auch aus dieser Verantwortung: nieder mit der Vernunft!

Die Aufgabe auszusprechen, was gerade an Ideen kursiert, um es debattierbar zu machen, gehört dem Journalismus, der den Diskurs von seiten des Kollektivs her vertritt, die Literatur kann das nicht. Sie ist von ihren anderen Aufgaben okkupiert. Sie kann sich aber von diesem Defizit provozieren lassen, vor allem dazu, die Weltmaterialfülle, die der Journalismus anliefert, aufzunehmen. Auch kann es oft richtig sein, die journalistischen Methoden der Recherche zu übernehmen. Den Journalismus also zu beobachten, zu studieren, ernst zu nehmen, fallweise auch übertrieben ernst, führt dazu, ihn zu bewundern. Das der Literatur Eigene entsteht aber in Konkurrenz zum Journalismus, auch aus einer Außenkritik an ihm, die er selbst nicht leisten kann, aber braucht. Nur wenn diese Konkurrenz wirklich lebendig ist, auch kämpferisch ausgetragen wird, kann die Literatur der überlegenen Welterfassungskompetenz des Journalismus ihre Deutung der Aktualität an die Seite stellen. Die Methode hat außerdem Tradition. Die Jugend der Gegenwart geht ja weiter, die Geschichte von 1830 bis 1850. Heine, Büchner, Börne, Marx sind bis heute komplett gegenwärtig lesbare Autoren, auch weil sie dezidiert aus dieser Polarität kommen zwischen Journalismus, Literatur und Politik.

Wie wird man ein politischer Mensch? fragte Peter Handke zu Beginn seiner Büchner-Preis-Rede 1973. Auf dem Hochpunkt der Königlichkeit seiner Autorschaft hat er, er war dreißig Jahre alt, den Preis bekommen und in seiner Rede Privates und Öffentliches so konfrontiert und collagiert, daß der damals jugendliche Leser dieser Rede, sie wurde an eben dem Wochenende in der Beilage der Süddeutschen Zeitung abgedruckt, als ich mit meiner Schulklasse auf Abiturreise nach Athen ging, sich aufgewühlt und bestätigt gefühlt hat im Aufbruch. Wohin? Hinaus, hinauf, weg! Ein politischer Mensch werden! Ein poetischer Mensch! Dorthin führt Handke seinen Gedankengang, von der Politik zur Poesie. Wie wird man ein poetischer Mensch? Handkes einfache Antwort, von sich selbst erzählen, sich erinnern, kommt aus der schönsten Wahrheit seines Jungseins. Er weiß noch nichts von den Kaputtheiten, die auch auf ihn zukommen werden, von der Frage: Ist es denn möglich, ein poetischer Mensch zu bleiben? Allein wegen dieser den Diskurs erfrischenden Blindheit ist es gut, wenn zwischendurch auch ein sehr junger Autor den Preis bekommt.

Auf die Tragödie der Skepsis gibt es viele Antworten. Ich muß dem Büchner-Preis dafür danken, daß er mich mit der Antwort der Akademie bekannt gemacht hat. Bisher dachte ich, der Preis wird vom Lieben Gott vergeben. Nein, es ist ein Gremium, das sogar öffentlich bekannt ist, das den Preisträger festlegt, ich wußte davon nichts, ich hatte Angst davor. Es gibt eine Webseite, die sehr würdig und elegant aussieht und gut benützbar ist, vom Frankfurter Internet-Spezialisten Christopher Martin entwickelt, dort kann man sich im Nu darüber informieren, was die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ist.

Schriftsteller, Wissenschaftler und Kritiker kommen zum Gespräch zusammen, um zu beraten und festzustellen, wer sie sind. Eine Organisation, deren Zweck es ist, eine Definition zu produzieren, und zwar ihrer selbst, zuerst für sich, dann für alle: Was soll deutsche Sprache und Dichtung sein? Welche Literatur ist Teil davon, welcher Schriftsteller. Leitend ist dabei das Ideal, gegenüber der Gefahr von Cliquenbewirtschaftung, wie es sie in jeder Organisation gibt, die Gesellschaft in der Akademie insgesamt abzubilden. Denn die Akademie wird vom Gemeinwesen getragen, von allen, das Geld, das sie ermöglicht, kommt vom Staat, auch von Sponsoren aus der Wirtschaft, vom Staat in seiner ganzen föderalen Verfaßtheit, also von der Stadt Darmstadt, dem Land Hessen und der Bundesrepublik insgesamt, jedes dieser Organe ist auch in dem Gremium, das den Preisträger wählt, vertreten. Diese hochpolitische, das Bestehende maximal affirmierende Konstruktion jährlich neu vors Tribunal der Zittrigkeit und Helle von Georg Büchner zu stellen hat sich als geniale institutionelle Provokation erwiesen. Institutionenbegeisterung.

Aus Sicht der Jugend sind diese Bestimmungen irrelevant, sie gehen einen nichts an, denn man hat fundamental andere Dinge im Kopf. Das ist die große Weltgegenwelt, der politische Sturmlauf der Jugend. Umsturz, Rasen, Gewalt, Neues! Unterdrückung: weg!, Herrschaft, Macht, Ausbeutung: weg! Bessere Welt! Es ist: Revolution! Der Moment der Radikalität und absoluten Heiterkeit ist kurz und strahlend, je anmaßender die Parolen dieses Augenblicks sind, um so besser, um so wahrer verrückterweise auch. Aber der Respekt vor dem Fernstkontinent eines unsichtbaren Morgen, von wo Jugend herkommt, gebietet den Älteren angemessene Scheu: wer nicht mehr jung ist, darf so herrlich nicht sprechen.

Wie wollen wir leben? Die letzte Anrufung soll der Stadt meiner Väter Wien gelten. Was ist das Ergebnis dieser Rede, Wanda, wenn jemand fragt, wofür du stehst?

Wenn jemand fragt, wofür du stehst
sag: für AMORE, Amore