Georg-Büchner-Preis

The Georg Büchner Prize was first established during the Weimar Republic by the State of Hesse. Its purpose was to recognise writers, artists, actors and singers. It was first awarded in 1923 in the state capital, Darmstadt.
Since 1951 the new Büchner Prize has been awarded annually by the German Academy for Language and Literature. According to the charter of the Academy, it is given to authors »writing in the German language whose work is considered especially meritorious and who have made a significant contribution to contemporary German culture.«
The prize is awarded at a ceremony held during the autumn conference of the German Academy in Darmstadt.
The prize currently comes with an award of €50,000.

Erich Fried

Poet and Translator
Born 6/5/1921
Deceased 22/11/1988
Member since 1986
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Erich Fried, der in seinen poetischen Werken wie in seinen Übersetzungen die deutsche Sprache aus Verdunkelungen und aus dem Geschwätz zu einer unmißverständlichen Triftigkeit führt.

Jury members
Juryvorsitz: Herbert Heckmann
Beda Allemann, Peter Benz (Stadt Darmstadt), Herman Dieter Betz (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst), Günter Busch, Hans-Martin Gauger, Ludwig Harig, Helmut Heißenbüttel Hans Paeschke, Lea Ritter-Santini, Dolf Sternberger (Ehrenpräsident), Bernhard Zeller, Ernst Zinn

Von der Nachfolge dieses jungen Menschen, der nie mehr alt wird

Lieber Herbert Heckmann! Meine Damen und Herren, liebe Freundinnen, Freunde und Gegner!

Vor genau zwanzig Jahren hat Heinrich Böll, der mir hier in diesem Raum, wie auch sonst, schmerzlich fehlt, seine Rede »Georg Büchners Gegenwärtigkeit« mit den Worten begonnen: »Mein Dank ist herzlich, meine Rede nicht ohne Bitterkeit, notwendigerweise, weil der Preis den Namen Georg-Büchner-Preis trägt.«

Diese Worte gelten natürlich auch für mich. Ebenso wie Heinrich Böll und ich hätte sicher auch Büchner selbst einen Aspekt dieser seiner Gegenwärtigkeit bedauert. Nämlich, daß es noch heute, 150 Jahre nach Büchners Tod, so viele grimmige Vergleichsmöglichkeiten mit seiner Zeit gibt. Gewiß, Analogien stimmen nie ganz, aber wo ein tertium comparationis überhaupt vorhanden ist, dort sollte man nachdenken und seine Gedanken nicht verschweigen. Böll war nicht der einzige, der das empfand. Fast jeder, der hier an dieser Stelle stand, fühlte sich in ähnlicher Lage.

Hans Mayer schreibt in seinem bedeutenden Buch Georg Büchner und seine Zeit: »Jedes Jahr im Oktober ein Autor von heute, der sich mit diesem jungen Menschen aus Goddelau auseinandersetzt [. . .] Bemerkenswert jedes Mal, welche Elemente in dem Œuvre der neue Büchnerpreisträger zum eigenen Schaffen in Beziehung setzt.«

Einer von diesen Preisträgern, Peter Weiss, der mir ebenso fehlt wie Böll, war im Mai 1982, gar nicht so lang, nachdem er erfuhr, daß ihm der Preis zuerkannt worden war, gestorben, und seine Witwe, Gunilla Palmstjerna-Weiss, hat hier für ihn gesprochen. Sie hat erwähnt, daß er gegenüber einem solchen Preis anfänglich zögerte. Dann sagte sie: »Aber eine Rede zu halten, seine Gedanken öffentlich zu machen, weiter ganz klar und deutlich seinen Standpunkt zu vertreten, das würde seinen Vorstellungen am nächsten kommen: Die Gelegenheit wahrnehmen und dann weitergehen!«

Peter Weiss hatte nämlich gewisse Bedenken, einen Preis anzunehmen, der im Namen eines Revolutionärs von einer Institution und aus der Hand von Menschen verliehen wurde, von denen die meisten den Preis einem der Rebellion verdächtigen blutjungen Gesellen wie Georg Büchner selbst doch kaum verliehen hätten. Gunilla Palmstjerna-Weiss berichtete weiter: »Peter hat noch Zeit gehabt, in Büchners Werken und Briefen Notizen zu machen, Textpassagen anzustreichen. Jede angezeichnete Stelle deutet darauf hin, daß es sich in seiner Rede um Kunst und Politik, um Revolution und Tod handeln sollte.«

Liebe Freunde und Feinde, diesen Themen von Peter Weiss will auch ich folgen. Vielleicht sogar in dieser Reihenfolge, soweit sie sich voneinander trennen lassen, was natürlich nur zum kleinen Teil möglich ist. Georg Büchner blieb gar nicht die Zeit, sie wirklich zu trennen!

Also zuerst die Dichtungen: Natürlich kann man den Dichter, den Revolutionär und den Wissenschaftler Büchner nicht wie drei Menschen oder wie zeitlich getrennte Phasen eines Menschen auffassen, etwa als hätte Büchner sich von der naiven Rebellion seiner Jünglingszeit abgewandt und sei zum ruhigeren Dichter und zuletzt zum Wissenschaftler geworden. Nein, jedes Element bedingt und durchdringt jedes andere. Hans Mayer spricht von »Büchners Aktivität und seiner aus der Aktion entspringenden dichterischen Produktion«. Und er sagt: »Problematik, Stoffwahl und Leitideen des Danton sind aus den Erfahrungen und dem politischen Schicksal des revolutionären Theoretikers und Praktikers Büchner, und nur aus ihnen, zu verstehen. Die unheimliche Kraft aber, die solches Erleben in dichterische Kraft umsetzt, die nicht nur zum künstlerischen Ausdruck hindrängt, sondern ihn auch findet – und wie großartig gar findet – , das alles bleibt im letzten unentschleierbar, wie jede große Schöpferkraft es bleibt.«

Und auch der Wissenschaftler ist in den hintergründigen Dichtungen Büchners immer wieder enthalten. In Leonce und Lena, jenem Lustspiel der furchtbaren Unlust und Entfremdung, sagt Prinz Leonce, von dem Hans Mayer bemerkt, daß er gezwungen ist, ein sinnloses Leben zu führen, dieser selbe Leonce, dessen Name vielleicht nicht ganz zufällig an den des zuletzt so dahinlebenden Lenz anklingt, im zweiten Akt zu Valerio: »Komm, wir wollen Ameisen zergliedern, Staubfäden zählen.« Und am Ende des Stückes: »Oder wollen wir ihnen Fräcke anziehen und sie infusorische Politik und Diplomatie treiben lassen und uns mit dem Mikroskop daneben setzen?«

Und Büchners Danton ist gleich zu Anfang ein verhinderter Anatom. Er sagt zu seiner Frau, die meint, daß er sie kennt:

»Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar und einen feinen Teint und sagst immer zu mir: lieb Georg. Aber (er deutet ihr auf Stirn und Augen), da, da, was liegt hinter dem? Geh, wir haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müßten uns die Schädeldecken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren.«

Und auch im Woyzeck findet sich ein unentwegter Wissenschaftler, nämlich der Doktor, der Woyzeck zu Versuchszwecken nur mit Erbsen füttert. Allerdings soll in der nächsten Woche das Hammelfleisch drankommen, aber diese Zubesserung erlebt der arme Woyzeck nicht mehr. Dieser Doktor ist auch ein Philosoph. Er erklärt seinem Versuchsobjekt:

»Er auf die Straß gepißt hat wie ein Hund. Geb ich Ihm dafür alle Tag 3 Groschen und Kost? Die Welt wird schlecht, sehr schlecht, schlecht, sag ich. O! Woyzeck das ist schlecht. Woyzeck: Aber Herr Doktor wenn man nit anders kann. Doktor: Nit anders kann, nit anders kann. Aberglaube, abscheulicher Aberglaube! Hab ich nit nachgewiese, daß der musculus constrictor vesicae dem Willen unterworfen ist? Woyzeck, der Mensch ist frei, im Menschen verklärt sich die Individualität zur Freiheit ‒ seinen Harn nicht halten können! Es ist Betrug, Woyzeck. Hat Er schon seine Erbsen gegessen? Nichts als Erbsen, nichts als Hülsenfrüchte, cruciferae, merk Er sich’s. Die nächste Woche fangen wir dann mit Hammelfleisch an. Muß er nicht aufs Secret? Mach Er. Ich sags Ihm. Es gibt eine Revolution in der Wissenschaft. Eine Revolution. Ich sprenge sie in die Luft! Nach gestrigem Bericht 0,10 Harnstoff, und salzsaures Ammonium...«

Nicht nur als Versuchsobjekt, nein, auch als wissenschaftliche Hilfskraft muß der arme Woyzeck herhalten. Der Doktor fragt ihn weiter: »Hat Er mir Frosch gefange? Hat Er Laich? Kein Süßwasserpolyp? Kein Hydra? Vestillen? Cristatellen? Stoß Er mir nicht ans Mikroskop, ich hab eben den linken Backzahn von einem Infusionstier darunter...«

Und so weiter. Es scheint, daß Büchner in der revolutionsabgewandten Tätigkeit eines Wissenschaftlers ‒ dem wissenschaftrevolutionierenden Doktor zum Trotz – nicht die absolute Erfüllung findet. Die Anspielungen auf die Wissenschaft sind weder im Danton noch in Leonce und Lena noch im Woyzeck gar zu schmeichelhaft, obwohl Büchner auch als Wissenschaftler bahnbrechend zu werden begann. Allerdings läßt sich in des Doktors hohem Lied auf die Willensfreiheit auch erkennen, daß Büchner vom idealistischen Glauben an die Willensfreiheit in Wirklichkeit schon längst zum Determinismus übergegangen ist, zum grimmigen Materialismus der Geschichtsbetrachtung.

In einem Brief an die Braut nach dem 10. März 1834 klagt er:

»Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, Allen und Keinem verliehen. Der einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz. Es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich. Es fällt mir nicht mehr ein, vor den Paradegäulen und Eckstehern der Geschichte mich zu bücken [...].«

Büchner ist dennoch Revolutionär geblieben, allerdings ein äußerst skeptischer Revolutionär. Daher auch das Leitmotiv der verzweifelten Langeweile bei seinem Danton, bei seinem Leonce und auch bei Lenz, der zu Oberlin sagt:

»Ja Herr Pfarrer, sehen Sie, die Langeweile, ich weiß gar nicht mehr, was ich sagen soll, ich habe schon alle Figuren an die Wand gezeichnet.« Oberlin sagte ihm, er möge sich zu Gott wenden; da lachte er und sagte: »Ja wenn ich so glücklich wäre, wie Sie, einen so behaglichen Zeitvertreib aufzufinden, ja man könnte sich die Zeit schon so ausfüllen. Alles aus Müßiggang. Denn die Meisten beten aus Langeweile; die Andern verlieben sich aus Langeweile, die Dritten sind tugendhaft, die Vierten lasterhaft und ich gar nichts, gar nichts, ich mag mich nicht einmal umbringen, es ist zu langweilig.«

Und Büchners Danton sagt (zum Unterschied vom historischen Danton, der den Fatalismus der Geschichte nicht so deutlich erkannt hat wie Büchner ihn zu erkennen glaubte): »Ich bin eine Reliquie, und Reliquien wirft man auf die Gasse.« Und als Lacroix ihn fragt: »Warum hast du es dazu kommen lassen?« erwidert Danton:

»Dazu? Ja wahrhaftig, es war mir zuletzt langweilig, immer im nämlichen Rock herumzulaufen und die nämlichen Falten zu ziehen! Das ist erbärmlich. So ein armseliges Instrument zu sein, auf dem eine Saite immer nur einen Ton angibt.

S’ist nicht zum Aushalten. Ich wollte es mir bequem machen. Ich hab es erreicht. Die Revolution setzt mich in Ruhe, aber auf andere Weise als ich dachte.«

Diese Langeweile ist taedium vitae, Ekel und Lebensüberdruß des durch seine Erkenntnisse Vereinsamten. Sogar sich zu verlieben kann noch ein Anlaß für einen allerdings auch nicht ganz ernst gemeinten Selbstmordversuch sein. Leonce schwärmt von dem Mädchen, in das er sich verliebt hat, das aber gerade weggegangen ist. Er ruft:

»Zu viel! zu viel! Mein ganzes Sein ist in dem einen Augenblick. Jetzt stirbt‘s. Mehr ist unmöglich. Wie frischatmend, schönheitglänzend ringt die Schöpfung sich aus dem Chaos mir entgegen. Die Erde ist eine Schale von dunklem Gold, wie schäumt das Licht in ihr und flutet über ihren Rand, und hellauf perlen daraus die Sterne. Meine Lippen saugen sich daran: dieser eine Tropfen Seligkeit macht mich zu einem köstlichen Gefäß. Hinab heiliger Becher.«

Er will sich in den Fluß stürzen, aber Valerio hält ihn fest und fragt: »Ist denn Eure Hoheit noch nicht über die Lieutenantsromantik hinaus, das Glas zum Fenster hinaus zu werfen, womit man die Gesundheit seiner Geliebten getrunken?« Und Leonce erwidert ernüchtert: »Ich glaube halbwegs du hast Recht.«

Das alles ist natürlich vielschichtig. Selbst in der Verzweiflung ist Büchner nie dem tierischen Ernst erlegen, wie soviele Revolutionäre. Erstens die Überschwenglichkeit dieser Szene ist schon ihre eigene Parodie und zugleich eine auf den Sturm und Drang, eine freundliche Parodie, natürlich. Keine renegatenhafte Abkehr wie bei Goethe, den Büchner hier übrigens ungeachtet aller Verehrung zugleich auch ein wenig parodiert, denn wenn sich Leonce bei seinem unernsten Selbstmordversuch zuruft, »Hinab heiliger Becher«, so kling das natürlich an den König in Thule an, gar treu bis an das Grab, dem sterbend seine Buhle den goldenen Becher gab, und von dem es dann weiter heißt: »Er warf den heiligen Becher hinunter in die Flut.«

Büchner ist eben niemals nur ein Agit-prop-Schreiber, sondern ein Dichter, dem es um Vieles zugleich geht.

Übrigens auch, wenn er politische Agitation betreibt. Er wußte und hat es selbst gesagt, daß auch sein Hessischer Landbote gewissermaßen nur ein Experiment war, Fanal und Experiment zugleich, wie Hans Mayer erklärt. Wilhelm Schulz berichtet Büchners eigene Worte:

»Zwar lassen sich Revolutionen nicht machen, am wenigsten durch Flugschriften, selbst wenn diese die Notzustände noch so treffend schildern. Ist aber die Volksbewegung einmal da, so muß sie mit denselben Triebfedern der materiellen Interessen, die sie erzeugt haben, auch im Gange erhalten werden.«

Büchners Anteilnahme am Kampf gegen das Unrecht, gegen die Privilegierten, deren Stand und Verhalten er haßte, hat nie aufgehört. Auch aus der Emigration fragte er immer wieder nach dem Schicksal seiner Mitstreiter. Nach Pfarrer Weidig, der im Arresthaus zu Darmstadt unter der Anleitung des Hof- und Universitätsrichters Konrad Georgi zu Tode gequält wurde; nach seinem Freund August Becker und seinem anderen Freund Minnigerode, der nach furchtbarer Haft und Mißhandlung dem Würgegriff Georgis dank seiner Familienverbindung im letzten Augenblick entrissen wurde. Immer wieder hatte Büchner zur Intervention angeregt, um diese politischen Gefangenen zu retten.

Büchner, der die Losung ausgegeben hatte »Friede den Hütten, Krieg den Palästen!«, war kein Apostel der Gewaltlosigkeit. Hundertvierzig Jahre vor der Zuwendung eines Teiles der Studentenbewegung zur Gewalt hat er geschrieben:

»Meine Meinung ist die: Wenn in unserer Zeit etwas helfen soll, so ist es Gewalt. Wir wissen, was wir von unseren Fürsten zu erwarten haben. Alles, was sie bewilligten, wurde ihnen durch die Notwendigkeit abgezwungen. Man wirft den jungen Leuten den Gebrauch der Gewalt vor. Sind wir denn aber nicht in einem ewigen Gewaltzustand?«

Büchner meint damit die Gewalt der Herrschenden. Er faßt die Gewalt der Revolutionäre als Gegengewalt auf. Diese Worte Büchners über die Gewalt zitiert auch Heinrich Böll in seiner Büchnerrede und sagt im selben Atemzug, daß er sich nicht entschließen kann, Büchners ästhetische Gegenwärtigkeit von seiner politischen zu trennen.

Es ist wahrscheinlich, daß dieser Zwanzigjährige sich in unserer Zeit zur ersten Generation der Baader-Meinhof-Gruppe geschlagen hätte – wenn auch keineswegs, ob er sich nicht wieder abgewendet hätte! – und daß er heute im Gefängnis säße oder vor genau zehn Jahren, am 17. Oktober 1977, an einer ähnlichen Art Selbstmord gestorben wäre, wie es Baader, Ensslin und Raspe an diesem Tag widerfahren ist – und 17 Monate zuvor Ulrike Meinhof! –Falls Büchner nicht schon bei der Verhaftung polizeilich erschossen worden wäre, natürlich nur in Notwehr oder in putativer Notwehr!

Büchner hatte das Glück, zu einer Zeit, in der es noch ein barmherzigeres Asylrecht gab als heute, fliehen zu können und zu sehen, daß man mit dem bewaffneten Kampf in einer nichtrevolutionären Situation nicht weit kommt, so wie das in unserer Zeit Peter-Jürgen Boock eingesehen hat, dem aber seine mutige Wendung gegen den individuellen Terror wenig genützt hat, trotz den schönen Worten der Justiz, wie gut man jene behandeln könne, die dem Terror entsagen. Die geheime Bedingung der Bundesanwaltschaft aber war offenbar, daß Boock seine ehemaligen Kameraden verraten solle, und das wollte er ebensowenig, wie Büchner dies getan hätte. Was soll man da von Hilfsangeboten für Aussteiger halten, solange Peter-Jürgen Boock so behandelt wird? – Büchner hat, lange nach seiner Erklärung für die Gewalt, gesagt:

»Ich glaube, man muß in sozialen Dingen von einem absoluten Rechtsgrundsatz ausgehen, die Bildung eines neuen geistigen Lebens im Volke suchen und die abgelebte moderne Gesellschaft zum Teufel gehen lassen. Zu was soll ein Ding wie diese zwischen Himmel und Erde herumlaufen? Das ganze Leben derselben besteht nur in Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben. Sie mag aussterben, das ist das einzig Neue, was sie noch erleben kann.«

Dem jungen Büchner war es nicht vergönnt, wenigstens noch das Revolutionsjahr 1848 zu erleben. Er wäre erst 34 Jahre alt gewesen, aber da war er schon 11 Jahre tot. Wenn ich daran denke, dann tut es mir weh, genauso weh, wie es mir tut, daß Menschen, die ich gekannt und geliebt habe, Ernst Bloch, Ernst Fischer, Heinar Kipphardt, Heinrich Böll, Peter Weiss, Herbert Marcuse, Rudi Dutschke, Hans Jürgen Krahl und viele andere, besonders auch Ulrike Meinhof, die dann sicher nicht mehr verzweifelt hätte, nicht mehr das deutliche Hervortreten Michail Gorbatschows und seine Tendenzwende erleben durften. Freilich haben sie auch nicht erlebt, daß, wie vorherzusehen war, Staatsmänner der westlichen Welt sich, mit wenigen rühmlichen Ausnahmen, z. B. Außenminister Genscher, verhalten wie viel zu dick aufgetragene Karikaturen, nicht aus Leonce und Lena, sondern aus einem schlechten stalinistischen Roman, der die bösen Kapitalisten zeigen will! Diesen meinen Toten, noch vielen mehr, als ich nennen konnte, möchte ich diese Betrachtungen hier widmen, ebenso wie dem Schatten Georg Büchners.

Ich Alter sehe mich selbst und die alten und alternden Schriftsteller, die hier jedes Jahr den Schatten dieses jungen Menschen beschwören, der nie mehr alt wird, von Büchners Schatten in den Schatten gestellt. Weil dieser Schatten hier ist, in dessen Namen wir uns versammeln, vielleicht auch zur Sühne dafür, daß man ihn weggetrieben hat, den Jungen aus Darmstadt, in die Fremde und in die Einsamkeit und in seine Todeskrankheit, den Typhus, der ihn in der Fremde fand – und vielleicht auch, weil wahrscheinlich auch ich in nicht allzu ferner Zukunft ein Schatten sein werde wie meine Vorbilder und Kollegen und Freunde, die ich eben erwähnt habe – will ich ein wenig mithelfen, daß Georg Büchners Schatten ein helles Licht wirft auf einiges Dunkel unserer von den ersten Atomexplosionen so herrlich erleuchteten Zeit.

Wenn wir hier nicht nur ein gewissenloses unverbindliches Schattenspiel veranstalten wollen, dann kommen wir um die Frage nicht herum, was Büchner heute sagen und schreiben und tun würde. Wie würde er sich zur heutigen Bundesrepublik stellen? Würde er diesem Staat trauen oder mißtrauen? Wofür und wogegen würde er heute kämpfen? – Es geht hier nicht darum, seinen Namen zu ehren, denn, weiß Gott, Georg Büchner bedarf unserer Ehrungen nicht!

Aber wenn wir schweigen, wo er gesprochen hätte, dann machen wir unseren Namen Schande und nennen seinen Namen zum Falschen und Nichtigen! Unbeantwortbar aber zugleich unwiderstehlich die Frage: Wie hätte Georg Büchner heute geschrieben? In diesem Land, das sich zur Freiheit bekennt, aber gewaltlose Demonstranten mißhandelt und einsperrt? Das immer von Demokratie spricht, aber hinter den Kulissen einen Pinochet, einen Botha, einen Mobutu und die Contras Reagans unterstützt? – Hätte Büchner vielleicht einige Figuren seiner Dramen heute verändert? Nehmen wir zum Beispiel Leonce und Lena. Ingeborg Bachmann, auch eine Büchnerpreisträgerin, und eine, deren Todestag heute ist, hat von Shakespeares Komödien gesagt, daß sie lachen machen und zum Weinen sind. Das gilt auch von Leonce und Lena, denn es ist eine einzige grimmige Kritik an der Entfremdung und gähnenden Lebensleere der Herrschenden. Da gibt es Leonces Papa, König Peter vom Reich Popo, diesen alten Schwachkopf, der sich einen Knoten ins Taschentuch macht, um sich an sein Volk zu erinnern, und sich dann doch kaum erinnert. – Hätte ein Büchner ihn in unserer Zeit vielleicht nicht zum Herrscher von Gottes Gnaden über einen mikroskopischen Zwergstaat gemacht, sondern zum demokratisch gewählten Oberhaupt einer Supermacht, das aber gleichfalls von Vielem nichts weiß oder nichts wissen will und sich an nichts erinnert; zu einem Herrscher, der vor allem nicht weiß, was er tut! Und vielleicht hätte Büchner sich auch den köstlichen Witz nicht entgehen lassen, er habe soeben das Kommando zur Vernichtung des Feindes gegeben, und die Bomben hätten schon vor 5 Minuten hinzufliegen begonnen! Natürlich nur ein Scherz: König Peter von Popo war ja eine gutmütige Theaterfigur!

Büchner hätte die Kleinstaaterei seines Deutschlands sicher durch das große Supermächtetheater von heute ersetzt. Wenn er heute lebte, dann könnte man mit Goethe von ihm sagen:

»Denn was er, so artig, im Kleinen gesehn,

Erfuhr er, genoß er, im Großen.«

Vielleicht, obwohl Büchner, wie in seinem Danton, auch große dramatische Gemälde entwerfen konnte, hätte er nicht immer nur große Männer gestaltet. Einen Vergleich Gorbatschows mit Goebbels zum Beispiel, genüßlich gestützt auf die Pelzmäntel der beiden Gattinnen, hatte Büchner schon aus Gründen des guten Geschmacks sicher nicht einem führenden Staatsmann in den Mund gelegt, sondern wahrscheinlich nur irgendeinem ganz kleinkarierten, subalternen, selbstgerechten Höfling. Sogar ein geschwätziger Polonius wäre ihm noch zu gut dazu gewesen!

Aber, Spaß beiseite, jener Büchner, der in seinem Hessischen Landboten als eine Grundlage seiner Gesellschaftskritik als Erster in Deutschland die Statistik angewendet hat, wie hätte er die Milliarden und Milliarden, verschwendet auf sinnlose Kriegsrüstungen auf Erden und gar im Weltraum, mit der Zahl der alljährlich verhungernden Kinder in Verbindung gebracht? Hätte er sich die Anprangerung dieses Verbrechens gegen die Menschheit (– Wie man das in Nürnberg nannte und mit dem Tode bestrafte! –) und derer, die das mitmachen und dulden und den Mund halten, entgehen lassen? Hätte er nicht statistisch berechnet, daß allein schon die Ausgaben für die Weltraumrüstung soviel Menschheitsvermögen vergeuden, daß bei Einsparung eines kleinen Bruchteils davon kein Kind, überhaupt kein Mensch, verhungern müßte? Hätte er nicht berechnet, daß die Zahl der Menschen, die, wegen der nun jahrzehntelangen Verschwendung unserer Hilfsmittel auf diese Rüstung, gestorben sind, schon längst weit größer ist als selbst die Zahl derer, die der große Stalin, der Meister aus Rußland, auf dem Gewissen hatte?

Und hätte er nicht andere Dinge unserer Zeit aufs Korn genommen? Zum Beispiel den noch halbverschämten Antisemitismus, der sich wieder in der Bundesrepublik regt, ebenso wie in Frankreich, und den unverschämten Antisemitismus in Osterreich, in Saudi-Arabien oder (noch vor zwanzig Jahren) in Polen, und die wahnwitzigen Verallgemeinerungen eines Chomeni, die in dieselbe Kerbe schlagen? Hätte er das nicht genauso treffsicher analysiert und angegriffen wie das blutige Zerrbild, das die heutigen Machthaber in Israel, die Menschenräuber eines Mordechai Vanunnu, aus dem unschuldigeren Zionismus eines Martin Buber, eines Baer Borochow oder eines Nahum Goldmann gemacht haben? Oder, ganz nahe hier bei uns: Was hätte Büchner zur offiziellen Umbenennung des gezielten polizeilichen Todesschusses in finaler Rettungsschuß gesagt, und zur ewigen polizeilichen Notwehr oder putativen Notwehr? Oder zu den schon durchgeführten und den in Vorbereitung befindlichen Verstümmelungen des Asylrechtes in der Bundesrepublik und in anderen Nato-Ländern? Hätte der Emigrant Büchner dazu schweigen können?

Und heute, da es 150 Jahre her sind, daß Büchners Bundesgenosse Pfarrer Weidig im Arresthaus zu Darmstadt nach jahrelanger Haft und nachdem man ihn noch an seinem letzten Lebenstag mit dem Ochsenziemer gepeitscht hatte und ihn am nächsten Morgen verbluten ließ, »Selbstmord« begangen haben soll, genau drei Tage nach Büchners Tod. Wenigstens verkündete sein unerbittlicher Quälgeist, Hof- und Universitätsrichter Georgi, es als Selbstmord. Aber sogar die medizinische Untersuchungskommission der Universität Zürich war ehrlich genug, dieses Selbstmordverdikt gründlich zu bezweifeln. Ich erwähne das besonders, weil es heute auf den Tag genau 10 Jahre sind, seit Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe in Stammheim jenen Selbstmord begingen, der außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik und auch hier im Lande bei einer Reihe von Menschen, die – wie ich – gar nicht Anhänger der Baader-Meinhof-Taktiken sind oder waren, keineswegs mit solcher Selbstverständlichkeit als Selbstmord gilt! Was würde ein wiedergekehrter Georg Büchner, eingedenk des blutigen Schicksals seiner eigenen Freunde, dazu sagen? Und auch dazu, daß die große und gewissenhafte Tatsachenmaterialsammlung über Stammheim des bekannten holländischen Anwalts und Rechtslehrers Pieter Bakker-Schut bei uns systematisch totgeschwiegen wird? In Holland ist das Buch ausführlich rezensiert worden. Hier ist die deutsche Übersetzung voriges Jahr im NEUEN MALIK-Verlag erschienen. Das Buch zerpflückt gründlich die Selbstmordbehauptungen, auch nach Ansicht führender Gerichtsmediziner, konnte aber bisher hierzulande gegen etwas, was ganz nach einer Verschwörung des Schweigens aussieht, nicht aufkommen. Hätte Büchner gegen dieses Schweigen nicht angekämpft, ganz gleich welche Kritik er – wie auch ich – an der Methode und Taktik der Baader-Meinhof-Gruppe gehabt hätte? Ein Nachfolgeband zu diesem Buch ist jetzt in der Bundesrepublik verboten worden. Oder ein anderer Fall: Vor einiger Zeit haben Mitglieder der dritten Generation der RAF den sinnlosen Mord an Gerold von Braunmühl begangen. Seine Brüder aber haben es über sich gebracht, den Mördern ihres Bruders in einem menschlichen offenen Brief ins Gewissen zu reden, einer der wenigen Lichtpunkte der Geschichte der letzten Jahre in der Bundesrepublik! Damit nicht genug, haben sie den Gustav-Heinemann-Preis, den sie für ihre humane Haltung erhielten, für die Verteidigung des Justizopfers Peter-Jürgen Boock gespendet. Das nächste, was man hörte, war, daß der sonst nicht gerade allzu souveräne Generalbundesanwalt Rebmann die Stirne hatte, den Braunmühlbrüdern für ihr Verhalten eine öffentliche Rüge zu erteilen: meines Erachtens eine taktlose und unrühmliche Reaktion auf eine wirklich rühmenswerte Tat der trauernden Brüder des Ermordeten.

Aber die Meinungen sind verschieden: Hofgerichtsrat und Universitätsrichter Konrad Georgi zum Beispiel, der Verfolger Büchners und erbarmungslose Quälgeist Pfarrer Weidigs und Minnigerodes, hätte diesen Schritt eines hochgestellten Kollegen sicher begrüßt! Und auch die Justizminister Heinz Eyrich und Walter Remmer sind sicher für Rebmann.

Die Liste der großen und kleinen Schändlichkeiten von der Art, die Büchner bis aufs Blut gepeinigt haben, ließe sich ins Endlose fortsetzen. Da sind die Versuche, Günter Wallraff durch ein Kesseltreiben von Hetze und Verleumdungen zu ruinieren, seit er gezeigt hat, wie es ganz unten zugeht, oder die gerichtlichen und anderen Aktionen, zum Teil von Zuhältern, dem Enthüllungsfotografen Günter Zint das Leben in der Bundesrepublik unmöglich zu machen. Oder das Urteil gegen den Arzt Peter Augst, der zu sagen gewagt hat, »Jeder Soldat ist auf Grund seines Trainings ein potentieller Mörder« und dafür 10500,- DM bezahlen soll! Nur noch einen Fall zu erwähnen, komme ich nicht umhin, weil er sich hier in Darmstadt ereignet hat. Daß einige von Ihnen davon wissen, kann kein Grund sein, davon zu schweigen.

Die Evangelische Landeskirche hatte 1979 Zigeuner zu einem Zigeunerfestival eingeladen, und Oberbürgermeister Sabais hatte ihnen einen Standplatz in Darmstadt angeboten. Es kamen etwa 50 Roma. Aber vielen Bürgern waren sie nicht willkommen. Es kam zu keinem Miteinander, sondern zu einem unsicheren Nebeneinander, das schließlich ein Gegeneinander wurde. In den Jahren seither wurden sie delogiert, ausgewiesen, auf einstweiligen »Geduldeten«-Status gesetzt, abgeschoben: Das Wegziehen wurde ihnen auf verschiedene Art nahegelegt. Heute ist nicht ein einziger von ihnen mehr hier. Darmstadt ist roma-rein. Das Wort ist dem Wort judenrein nachgebildet. Obwohl solche Vergleiche immer hinken. Zum Beispiel: Während Juden nach 1945 immerhin Wiedergutmachung bekamen, erhielten die Angehörigen von ebenfalls vergasten Roma nichts dergleichen. Die Hinterbliebenen zu Tode geplagter nach Deutschland verschickter Fremdarbeiter auch nichts!

Als vier Romafamilien von ihrem Urlaub zurückkamen, fanden sie, daß das Haus, in dem sie gewohnt hatten, niedergerissen war. Samt ihren Möbeln, Geschirr, Wäsche, Büchern, Bildern und Andenken an vergaste Roma-Angehörige und Freunde. Es hieß unter anderem, Zigeuner seien ja fahrende Leute, so habe man eben angenommen, daß sie weitergefahren seien. Dabei hatte ihnen Darmstadt zum Ankauf ihrer Werkzeuge – sie waren Kupferschmiede – sogar 10000 Mark vorgestreckt. Allerdings, kaum, daß sie die Werkzeuge hatten, wurde ihre Sozialhilfe gestrichen, und die 10000 Mark wurden durch Einbehalten von Kindergeld wieder eingezogen. Auch wurde ihnen verboten, ihre Kupferwaren außerhalb Darmstadts zu verkaufen. – Das alles geschah rechtens, wie man das nennt. Natürlich gab es in diesen Jahren auch gelegentlich Diebstahl durch Roma oder Roma-Kinder. Keinen Sozialarbeiter würde das wundern. Aber soll das vielleicht Grund genug sein?!

Georg Büchner hätte allen, die Darmstadt von Romas befreien halfen, vermutlich ein viel dauerhafteres Denkmal gesetzt, als ich es hier vermag. Georg Büchner hätte sicher auch viele Verhaltensweisen – gar nicht nur in Deutschland – kritisiert, die heute gang und gäbe sind, zum Beispiel das ehrerbietige Stillschweigen vor jedem aufgeblasenen Popanz, der eine Machtposition innehat und den man sonst nur bemitleidet oder verspottet hätte. Und Büchner, den schon die »abscheuliche Kunstsprache« – wie er sie nannte – einiger Philosophen seiner Zeit empört hat, hätte an einem geistreich geschriebenen Teil der heute modernsten französischen Philosophie genausoviel auszusetzen wie an den beschönigenden deutschtümelnden Geschichtsklitterungen der letzten ein, zwei Jahre. Schon die Deutschtümelei der Studenten nach den sogenannten Freiheitskriegen war ihm ja verhaßt.

Das alles sind leider nur Mutmaßungen, was Büchner heute für uns getan hätte. Er hat es, weil er mit 23 Jahren gestorben ist, nicht einmal für seine eigene Zeit tun können, und Georg Herwegh – den Heine die eiserne Lerche der Revolution nannte – hat um ihn mit den Worten geklagt: »Doch hätt/' er uns ein Leitstern sollen sein in dieser halben, irrgewordnen Zeit!«

So ein Leitstern sollte er uns immer noch sein. Jedem von uns. Denn er war für die Freiheit. Nicht nur für seine, sondern vor allem auch für die Freiheit anderer. Für die Freiheit der Unterdrückten, der Manipulierten, der Armen. Er war nicht für die Freiheit der Herrschenden, der Despoten und ihrer Bürokraten, ungehindert ihr Wesen zu treiben! Er war für die Freiheit des Denkens, der Rede und der Kritik, für die Freiheit, diese Welt nicht nur zu diskutieren, sondern sie tätig zu erkennen und zum Besseren zu verändern!

Er hat in der finsteren Zeit Metternichs gelebt und ist in ihr gestorben. Er hat das Aufbäumen der Verzweiflung geschildert, wenn das Unrecht die Menschen zum Wahnsinn und zum Tod treibt, wie es sein Woyzeck sagt:

»Wenn die Welt so finster wird, daß man mit den Händen an ihr herumtappen muß, daß man meint, sie verrinnt zu Spinnweb. Das ist, so wenn etwas ist und doch nicht ist. Wenn alles dunkel ist, und nur noch ein roter Schein im Westen, wie von einer Esse [...] Wenn die Sonn im hellen Mittag steht und es ist als müsse die Welt auflodern. Hören Sie Nichts? Ich meine dann als die Welt spricht, sehen Sie, die langen Linien, und ist als ob es einen mit fürchterlicher Stimme anredete.«

Diese verzweifelte Wirrnis hätte Büchner, der Wissenschaftler, der Dichter, der Rebell und Weltverbesserer, entwirren wollen. Und wir Heutigen müssen immer noch versuchen, die verzweifelten Wirrnisse unserer Zeit zu entwirren und die Auswege wirklich zu bahnen und zu gehen, die sich zum Teil schon deutlich zeigen, auch wenn sie schwer zu gehen sind.

Die von uns, die Schriftsteller sind, können das – nicht nur, aber doch zum großen Teil –durch das versuchen, was sie schreiben. Auch dann, wenn die Establishments und die offizielle Kritik darüber ungehalten sind. Georg Büchner hat in einem Brief aus dem Exil, in Straßburg, am 28. Juli 1835 dies dazu gesagt:

»Daß übrigens noch die ungünstigsten Kritiken erscheinen werden, versteht sich von selbst; denn die Regierungen müssen doch durch ihre bezahlten Schreiber beweisen lassen, daß ihre Gegner Dummköpfe oder unsittliche Menschen sind.«

Damit möchte ich schließen. Ich danke Ihnen.