Forum Sprachkritik

Über das Forum Sprachkritik

Das Forum Sprachkritik versammelt und diskutiert Texte von Mitgliedern der Akademie, die sich mit Entwicklungen, Phänomenen und Auffälligkeiten der Gegenwartssprache befassen. Gegenstand dieser Sprachkritik ist der Sprachgebrauch auf allen Ebenen und in allen Bereichen.

Das Forum öffnet sich für alle Gattungen der Sprachkritik: Kleine Formen, Randnotizen, Skizzen, Essays und sprachkritische Untersuchungen. Es lädt ein zu Beiträgen, die gleichermaßen unterhaltend und aufklärend, kurzweilig und nachdenklich sein können.

Das Forum wird getragen von der Auffassung, dass Sprachkritik keine Normen setzt und nicht den Anspruch erhebt, über »richtig« und »falsch« im Sprachgebrauch entscheiden zu können und zu wollen. Vielmehr will es Beispiel und Anregung zur Sprachreflexion sein und durchaus die Implikationen aufzeigen, die ein bestimmter Sprachgebrauch mit sich bringen kann. Die einzelnen Beiträge werden namentlich gekennzeichnet und geben stets die Position der Autorin oder des Autors wieder, nicht aber die der Akademie.

Das Forum Sprachkritik knüpft an das zwischen 2010 und 2016 bereits bestehende gleichnamige Format an.

Kommentare

Das Forum Sprachkritik freut sich über Kommentare von Akademie-Mitgliedern und interessierten Leserinnen und Lesern zu den Beiträgen. Das können Rückfragen sein, aber auch Widerspruch, Variation und Ergänzung. Kommentare sollten eher knapp gehalten und sachlich auf das Thema des Beitrags bezogen sein. Unsachliche, beleidigende und auch strafrechtlich bedenkliche Kommentare können nicht veröffentlicht werden. Kommentare werden mit Ihrem Verfassernamen veröffentlicht.

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Hans-Martin Gauger
Verstrickung

Mehrfach wurden unserer Mitglieder gebeten, Glossen zu unserem sprachkritischen Forum beizusteuern. Nun finde ich eine vorzügliche bei meinem Freund Jens Malte Fischer, Mitglied unserer Akademie, sehr passend eingefügt in eine Besprechung (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.6.14). Mit Erlaubnis von Freund Fischer übernehme ich sie in unsere wachsende, aber noch überschaubare Sammlung. Fischer bespricht in jener Rezension, aus großer eigener Kenntnis schöpfend und im Ganzen sehr positiv, das Buch von Laurenz Lütteken über Richard Strauss, das eine Biographie mit einer Analyse der Kompositionen verbindet (Richard Strauss. Musik der Moderne, Stuttgart: Reclam, 2014). Kritisch moniert Fischer am Ende, dass in dem Buch „die Rolle von Strauss im ‚Dritten Reich’ nicht entschieden genug thematisiert“ werde. Und hier nun also seine sprachkritische Glosse:

„Schon die auch in zahllosen anderen Fällen allseits verbreitete und beliebte Abmilderungsvokabel ‚Verstrickung’ sollte (nicht nur) in Bezug auf Strauss und den Nationalsozialismus besser nicht benutzt werden. Bei ‚Verstrickung’ schwingt mit, daß hier jemand wie der Gladiator im feindlichen Wurfnetz oder Laookon von den Schlangen gegen seinen Willen ausweglos eingefangen wird. Wenn der Begriff für Personen benutzt wird, die sich absichtlich und willentlich mit dem Nationalsozialismus eingelassen haben, dient er zur Entlastung. Strauss selbst hat das in aller Offenheit bekundet, so in jenem ominösen Brief an Stefan Zweig vom Juni 1935, wo er zum Amt des Präsidenten der Reichsmusikkammer schreibt: ‚Unter jeder Regierung hätte ich dieses ärgerreiche Ehrenamt angenommen, aber weder Kaiser Wilhelm noch Herr Rathenau haben es mir angeboten’. Hitler und Goebbels, so muß man Strauss hier fortsetzen, haben dies getan, und so hat er es eben angenommen – ‚Verstrickung’ sieht anders aus.“

Richtig! Sie sieht oder sähe anders aus. Nur dies kann ich dieser lapidaren Bemerkung hinzufügen. Und umso lebhafter stimme ich Fischer zu als ich selbst das Wort schon in analogem Zusammenhang verwendet habe. Leicht stellt es sich ja ein, und es kann vielfach auch zutreffen, aber auf sehr viele Fälle von ‚Mitmachen’ tut es dies ganz und gar nicht, auch nicht in weniger eindeutigen als in dem von Richard Strauss ... Ich habe da also etwas gelernt. Man sollte prüfen, bevor man ‚Verstrickung’ sagt, ob es in der zusammengesetzten Wirklichkeit nicht mehr war als nur eben dies!

Hans-Martin Gauger (und, vor allem, Jens Malte Fischer), Oktober 2014

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