Forum Sprachkritik

Über das Forum Sprachkritik

Das Forum Sprachkritik versammelt und diskutiert Texte von Mitgliedern der Akademie, die sich mit Entwicklungen, Phänomenen und Auffälligkeiten der Gegenwartssprache befassen. Gegenstand dieser Sprachkritik ist der Sprachgebrauch auf allen Ebenen und in allen Bereichen.

Das Forum öffnet sich für alle Gattungen der Sprachkritik: Kleine Formen, Randnotizen, Skizzen, Essays und sprachkritische Untersuchungen. Es lädt ein zu Beiträgen, die gleichermaßen unterhaltend und aufklärend, kurzweilig und nachdenklich sein können.

Das Forum wird getragen von der Auffassung, dass Sprachkritik keine Normen setzt und nicht den Anspruch erhebt, über »richtig« und »falsch« im Sprachgebrauch entscheiden zu können und zu wollen. Vielmehr will es Beispiel und Anregung zur Sprachreflexion sein und durchaus die Implikationen aufzeigen, die ein bestimmter Sprachgebrauch mit sich bringen kann. Die einzelnen Beiträge werden namentlich gekennzeichnet und geben stets die Position der Autorin oder des Autors wieder, nicht aber die der Akademie.

Das Forum Sprachkritik knüpft an das zwischen 2010 und 2016 bereits bestehende gleichnamige Format an.

Kommentare

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Ingo Schulze
Unser Merz?

Als Friedrich Merz am 3. Oktober 2025 die Festrede zum Tag der deutschen Einheit in Saarbrücken hielt, war auch der französische Präsident anwesend – und sicherlich gab es im Publikum auch Ostdeutsche. Geredet haben die Ostdeutschen allerdings nicht. Immerhin wurde anerkennend über sie gesprochen. Allerdings wollte Merz »an diesem Tag und an dieser Stelle gleichwohl nur kurz zurückblicken«.
In seinem Rückblick sagte er dann: »Wir haben oft darüber diskutiert, wie stark die Erfahrung auch individueller Zurücksetzung, der Entwertung von Lebensläufen in Ostdeutschland, nachwirkt. Empfindungen, die verständlich sind, Erfahrungen, die wir zu achten haben.«

Wer zum Teufel ist dieses »wir« am Tag der Einheit?
In aller Unschuld demonstriert Merz, wie verständnisvoll ein deutsches »Wir« auf ein deutsches »Nicht-Wir« blickt. Da spielt es schon fast keine Rolle mehr, dass es offensichtlich vor allem Missverständnisse sind, die die Einheit trüben, auch Empfindungen spielen da eine große Rolle, am Ende aber billigt immerhin dieses Wir dem Nicht-Wir Erfahrungen zu.

Ende September, Anfang Oktober vor 35 Jahren war auf der Leipziger Montagsdemonstration der Ruf entstanden: »Wir sind das Volk!« Nach dem 9. November 1989 kam der Slogan hinzu: »Wir sind ein Volk!« Und dann gab es schon bald einen Witz darüber: Sagt der Ostler mit strahlendem Gesicht zum Westler: Wir sind ein Volk! Der Westler überlegt kurz, dann erwidert er: Wir sind auch eins!
Und womöglich hat er dabei genauso sympathisch gelächelt wie Friedrich Merz.

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