The »Friedrich-Gundolf-Preis« has been awarded by the German Academy for Language and Literature since 1964.
As a »Prize for German Scholarship Abroad«, for 25 years it was exclusively awarded to linguists and literary scholars at foreign universities.
However, the prize has also been awarded to persons outside of academia who are committed to imparting German culture and cultural dialog since the prize was renamed the »Friedrich-Gundolf-Preis für die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland« (Prize for the Imparting of German Culture Abroad) in 1990.
The Friedrich Gundolf Prize is awarded annually at the spring conference of the German Academy. It has been endowed with €20,000 since 2013.
Translator and Germanist
Born 7/8/1932
Member since 1999
Als wirkmächtiger Übersetzer und als Fürsprecher der deutschsprachigen Literatur in spanischen Verlagen hat Miguel Sáenz entscheidend dazu beigetragen, ihr in der spanischsprachigen Welt eine Leserschaft zu gewinnen...
Jury members
Günter Blamberger, László Földenyi, Daniel Göske, Irène Heidelberger-Leonard, Claire de Oliveira, Marisa Siguan und Leszek Żyliński
Verehrter Herr Präsident, verehrte Mitglieder
der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung,
verehrte Mitglieder der Jury, liebe Freunde,
Freude über diesen Friedrich-Gundolf-Preis für die Vermittlung der
deutschen Kultur. Die Liste der vor mir Ausgezeichneten (Giorgio
Strehler, Imre Kertész, Massimo Cacciari ...) ist so beeindruckend,
dass ich geneigt bin zu denken, es müsse in meinem Falle irgendein
Missverständnis gegeben haben.
Und besondere Freude darüber, dass ich diesen Preis in Salamanca
entgegennehmen kann, der Universität, mit der ich mich immer verbunden
gefühlt habe und wo ich viele Male Gelegenheit hatte, Vorträge
zu halten. Und darüber hinaus im Jahre 2018, dem 800. Jubiläum ununterbrochener
Kultur in Salamanca.
Nach der Aufzählung meiner vermeintlichen Meriten durch meinen
Freund und Kollegen Prof. Dr. Carlos Fortea sollte ich eigentlich
schweigen, und obgleich ich ihm aufrichtig danke, muss ich zugeben,
dass ich mich kaum in der so hochgelobten Person wiedererkenne.
Deshalb werde ich nach Möglichkeit weniger von mir als von den
Personen und Institutionen sprechen, die mir die deutsche Kultur vermittelt
haben, diese immense Kultur, die im Laufe meines Lebens so relevant
gewesen ist und die ich meinerseits versucht habe zu verbreiten.
Meine ersten Kontakte mit Deutschland gehen auf Mallorca zurück
– als Offizier und Militärjurist der spanischen Luftwaffe mit Bestimmungsort
Palma. In den fünfziger Jahren erlebte der Tourismus in
Spanien einen ungeheuren Aufschwung, und ich habe schon immer behauptet,
dass die Demokratie in Spanien weder von Politikern noch
von Königen eingeführt worden sei, sondern ganz einfach von Hunderttausenden
von Auslandsbesuchern, welche gekommen waren, um
die Schönheit von Strand und Meer zu genießen, und gleichzeitig die
frischen Winde der Freiheit mitbrachten.
Deshalb muss ich gestehen, dass mein erster Kontakt mit der deutschen Kultur über Grita Löbsack entstanden ist, die später meine Ehefrau
wurde. Sie wollte Spanisch lernen, und ich musste ein rudimentäres
Deutsch lernen, um sie zu verstehen, meine ersten Kontakte mit der
deutschen Musik und dem deutschen Film schulde ich ihr.
Ich war ein großer Filmeliebhaber und hatte in Palma de Mallorca
einen Filmclub gegründet (den ersten auf der Insel), wo der deutsche
Film eine herausragende Rolle spielen sollte. Das Testament des Dr. Mabuse
von Fritz Lang z. B. wurde ein großer Erfolg, und selbstverständlich
durften auch weder das unverzichtbare Cabinet des Dr. Caligari,
noch das Juwel von Max Ophüls, Liebelei, fehlen.
Meine zukünftige Frau war Berlinerin, und um sie zu sehen, reiste
ich zwei- oder dreimal zum Berliner Filmfestival, von wo ich Berichte
und Interviews an die mallorquinische Presse sandte. Und darüber hinaus
konnte ich mit meinem spanischen Pass – wenn auch jedes Mal
peinlich genau am Checkpoint Charlie kontrolliert – Ostberlin besuchen
und somit auch Filme der DDR und der Sowjetunion sehen (die
nicht bis nach Spanien kamen), um dann darüber in der spanischen
Presse zu schreiben, vor allem in der Filmzeitschrift Film Ideal, dem
Pendant zu den französischen Cahiers du Cinéma.
Gestehen muss ich auch – denn alles ist Kultur –, dass ich in Mallorca
meinen Flugzeugführerschein in einem wunderbaren Kleinflugzeug
aus Deutschland gemacht habe, einer Bücker Jungmann, dem besten
Schulungsflugzeug, das je erfunden worden ist.
Noch in Mallorca fertigte ich mit Gritas Hilfe meine erste Übersetzung
aus dem Deutschen an: ein paar expressionistische Gedichte von
Grosz, Arp, Klee und Kandinsky, die 1963 in den Papeles de Son Armadans
veröffentlicht wurden, einer elitären Zeitschrift, die der spätere
Nobelpreisträger Camilo José Cela gegründet hatte und deren Exemplare
heute eine Rarität darstellen. Als Camilo José Cela erfuhr, dass ich
beabsichtigte, mich mit einer Deutschen zu verheiraten, sagte er mir:
Wenn ich eine Einladung zur Hochzeit bekomme, werde ich ihr alle
meine Reisebücher schenken. Und so war es. Die Widmung lautete in
Viaje a la Alcarria: »Für Grita Löbsack de Sáenz, der neuen Spanierin,
dieses mein erstes Reisebuch. Mit dem besten Wunsch, dass sie die
harte und tiefgründige Welt, die wir Spanien nennen, kennen und lieben
lernen wird.«
Etwas später begann ich, etwas ernsthafter Deutsch zu lernen. Ich
heiratete meine jetzige Ehefrau gleich zweimal: einmal in Heidelberg
auf dem Standesamt, mit vielen Freunden, viel Bier und einer Studienkollegin
von Grita, die auch Konferenzdolmetscherin war (der Bürgermeister
sagte »für alle Fälle«, er hatte nämlich kein allzu großes Vertrauen
in die Sprachkenntnisse des Bräutigams), und ein zweites Mal,
eine Woche später, in Berlin, mit viel Familie, einem Sträußchen am Revers
meines Jacketts und mit der enormen Schwierigkeit, die zahlreichen
Reden zu verstehen, die man uns zugemutet hatte.
Grita und ich beschlossen, in Spanien zu leben, genauer gesagt, in
Madrid. Dort erhielt ich als mehr oder weniger polyglotter Jurist ein
Stipendium vom Institut für Gemeindeverwaltung, um Rezensionen
verwaltungsrechtlicher Texte zu schreiben.
Als ich eines Tages ein Examen als UNO-Übersetzer bestand und
man mir anbot, als UNO-Übersetzer nach New York zu gehen, wollte
ich auf das Stipendium verzichten, aber man bot mir an, es nicht aufzugeben,
sondern im Gegenzug dafür das Gemeinderecht von Otto
Gönnenwein zu übersetzen, seinerzeit Standardwerk für alle Gemeinderechtler.
Das war meine erste große Übersetzung, in New York gemacht.
Ich hatte eine Genehmigung der Luftwaffe erhalten, um zehn
Jahre fernzubleiben und dann – spätestens – zurückzukehren.
Im Jahre 1966 wurde in Wien die UNIDO gegründet, eine Sonderorganisation
der Vereinten Nationen für Industrieentwicklung. Obgleich
wir nach einem ersten Jungen in Madrid bereits einen zweiten
aus New York hatten, zweifelten wir keinen Augenblick und gingen
nach Wien (wo uns dann eine Wienerin geboren wurde).
Wien war für mich vor allem Musik und Oper, aber auch Theater.
Ich wurde zu einem Burgtheater- und Akademietheater-Süchtigen
und lernte jene phantastischen Schauspieler und Schauspielerinnen
wie Gert Voss, Ilse Ritter, Kirsten Dene, Ignaz Kirchner, Klaus Maria
Brandauer, Bernhard Minetti kennen und schätzen, aber auch Regisseure
wie George Tabori, Peter Zadek, Luc Bondy, Andrea Breth oder
Claus Peymann. Übrigens habe ich dort auf der Bühne die Unamuno-
Novelle von Nada menos que todo un hombre (auf Deutsch Ein ganzer
Mann) gesehen, eine seiner besten Kurzgeschichten in der Adaptation
von Tankred Dorst, und zwar mit dem überraschenden Titel Fernando
Krapp hat mir diesen Brief geschrieben. Jahre später musste ich seine
Bühnenfassung re-unamuno-sieren und übersetzen, damit sie in Spanien
Premiere feiern konnte.
All das war mir von großem Nutzen, als ich 1971 nach fünf Jahren
Ausland nach Madrid zurückkehrte und später an einigen Theaterprojekten
mitwirkte: Ich erinnere mich vor allem an die Uraufführung von
Thomas Bernhard in Spanien mit meiner Übersetzung von der Macht
der Gewohnheit (1987) und an die Aufführung eines bemerkenswerten
Urfaust, 1997 in der Abadía in Madrid, Regie Götz Loepelmann. Der
damalige Leiter des Goethe-Instituts Jochen Bloss sagte mir beim Verlassen
des Theaters »Nie im Leben habe ich ein überzeugenderes Gretchen
gesehen« (Gretchen war übrigens schwarzhaarig und sah völlig
andalusisch aus).
Sehr wichtig für mein kulturelles Leben ist der außergewöhnliche
Verleger Jaime Salinas geworden, Sohn des berühmten Dichters Pedro
Salinas. Er bot mir 1976 die Übersetzung meines ersten deutschen Romans
an, Der kurze Brief zum langen Abschied von Peter Handke, und
nahm mich, als er Leiter des Alfaguara-Verlags wurde, in sein literarisches
Beratungsgremium auf. Sein großes Problem war, dass er niemanden
hatte, der ihn unparteiisch in Fragen der deutschen Literatur
beraten konnte. Sein einziger Experte auf dem Gebiet war Schriftsteller,
Übersetzer, Photograph und Musiker, hatte aber eine Schwäche:
Er war überzeugter Stalinist und wollte – en bloc – die gesamte DDR-Literatur
veröffentlichen, Hermann Kant, Franz Fühmann etc. etc. Andererseits
behauptete er aber, Thomas Bernhard sei Faschist und den
dürfe man auf gar keinen Fall veröffentlichen. Salinas wollte nun, dass
ich der andere Berater würde, um die Waage wieder ins Gleichgewicht
zu bringen. Ich konnte noch so oft wiederholen, dass aber mein Deutsch
zu rudimentär sei.
Sodass mir als über Vierzigjährigem nichts anderes übrigblieb, als
wieder zu studieren. An der Universidad Complutense de Madrid hatte
ich das große Glück, akademische Lehrer wie unseren Kollegen und
Handke-Übersetzer Prof. Dr. Eustaquio Barjau und Prof. Dr. Emilio
Lorenzo zu haben (phantastischer Übersetzer des Nibelungenlieds), beiden
verdanke ich viel in Bezug auf meine deutsche Bildung.
Was das Erscheinen von Thomas Bernhards erstem Werk und weiteren
Werken angeht, möchte ich auf die Worte meines Laudators verweisen.
Wie dem auch sei, eines schönen Tages im Jahre 1978 beauftragte
mich Salinas mit der Übersetzung von Der Butt von Günter Grass, was
ich annahm und wofür ich zwei Jahre brauchte. Ihm, Salinas, verdanke
ich die Bekanntschaft mit Grass, der bald zu einem guten Freund wurde
und den ich viele Jahre lang übersetzte, und zwar immer mit Hilfe meiner
Frau. Er hat mir Deutschland nähergebracht oder zumindest sein
Deutschland nähergebracht.
Durch die Vermittlung von Michi Strausfeld, deren Einsatz zur Verbreitung
der deutschen Kinder- und Jugendliteratur in Spanien (Christine
Nöstlinger, Tomi Ungerer, Janosch, Peter Härtling ...) schwer zu
überschätzen ist, bekam ich 1982 den Auftrag, Die unendliche Geschichte
von Michael Ende zu übersetzen. Ich nahm den Auftrag an, damit es
meine Kinder lesen konnten, aber letzten Endes war es die Übersetzung,
die mir am meisten Genugtuung bereitet hat. Denn zum einen
gab es die Reaktion einer wirklich großen Menge von jugendlichen Lesern,
und zum zweiten wird dieses Buch bis heute immer wieder neu
aufgelegt.
Inzwischen hatte ich mich verpflichtet, für einen anderen Verlag
(Alianza Editorial) langsam, aber sicher alle Theaterstücke von Bertolt
Brecht zu übersetzen. Bis heute sind meine Übersetzungen der mehr
oder weniger zugegebene Ausgangspunkt für praktisch alle Brechtaufführungen
in spanischsprachigen Ländern. Im Vorwort zur Gesamtausgabe
der Brecht-Stücke beging ich den Fehler, sein Theaterwerk
»Weltkulturerbe« zu nennen, was im allgemeinen als eine Erlaubnis
zur freien Verwendung der übersetzten Texte ohne jegliche Entrichtung
der fälligen Zahlungen für Urheberrechte interpretiert wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf etwas aufmerksam machen.
Wie Sie wissen, befindet sich unter den Amtssprachen der Vereinten
Nationen das Deutsche nicht. Aber die Tatsache, dass ich für
diese Organisation fast mein ganzes Leben lang völkerrechtliche Dokumente
übersetzt habe, hat es mir möglich gemacht, Kafka, Grass,
Brecht oder Bernhard in meiner Freizeit für ein lächerliches Entgelt
– wie in Spanien üblich – zu übersetzen. Einen Monat für die Vereinten
Nationen aus dem Englischen oder Französischen zu übersetzen
gab mir vom finanziellen Standpunkt aus die Freiheit, jeweils ein
Jahr lang literarische Texte aus dem Deutschen zu übersetzen. Deshalb
möchte ich am liebsten – ehrlich gesagt – jetzt diesen Friedrich-Gundolf-
Preis mit den Vereinten Nationen teilen, denn, wenn auch in völliger
Unkenntnis, waren sie es, die einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung
der deutschen Literatur in den spanischsprachigen Ländern
geleistet haben.
In einem bekannten Essay über Stefan George sagte Friedrich Gundolf
einmal, »in jedem Menschen kreuzen sich die Natur und die Zeit,
Blut und Geist, Eigenschaften und Eindrücke« ... Davon bin ich fest
überzeugt.
Als Letztes möchte ich sagen, wer nun wirklich und eigentlich den
Friedrich-Gundolf-Preis verdient hat, das ist die Deutsche Akademie
für Sprache und Dichtung, die seit meiner Aufnahme im Jahre 2000 so
viel dafür getan hat, dass mein Verständnis und meine Liebe zur deutschen
Kultur wachsen und gedeihen konnte.
Und deshalb möchte ich mich nicht nur bei der Jury bedanken, die
mich für diesen Preis vorgeschlagen hat, sondern auch bei all denen,
die es ermöglicht haben, dass mir dieser Preis verliehen werden konnte.
Vielen Dank.