Friedrich-Gundolf-Preis

The »Friedrich-Gundolf-Preis« has been awarded by the German Academy for Language and Literature since 1964.
As a »Prize for German Scholarship Abroad«, for 25 years it was exclusively awarded to linguists and literary scholars at foreign universities.
However, the prize has also been awarded to persons outside of academia who are committed to imparting German culture and cultural dialog since the prize was renamed the »Friedrich-Gundolf-Preis für die Vermittlung deutscher Kultur im Ausland« (Prize for the Imparting of German Culture Abroad) in 1990.
The Friedrich Gundolf Prize is awarded annually at the spring conference of the German Academy. It has been endowed with €20,000 since 2013.

Emil Skála

Germanist
Born 20/11/1928
Deceased 17/8/2005
Member since 1992

Als Lehrer ist er seit nahezu vierzig Jahren bemüht, die Kenntnis des Deutschen seinen Studenten auf höchstem Niveau zu vermitteln.

Jury members
Kommission: François Bondy, Norbert Miller, Lea Ritter-Santini, Jean-Marie Valentin, Peter Wapnewski

Mitglieder des Erweiterten Präsidiums

Laudatory Address by Eduard Goldstücker
Germanist and Publicist, born 1913

Geograph und Geologe der deutschen Sprache

Jedesmal, wenn ich dem Begriff Altgermanist begegne, erscheint vor mir als dessen Urbild mein Altgermanist, Professor Josef Janko. Er war eine ehrfurchtgebietende Erscheinung und galt - was ihm offensichtlich genehm war − für den strengsten Examinator im ganzen Land. In meiner Erinnerung lebt er als Prototyp des altweltlichen autokratischen Ordinarius. Dem entsprechend − und auch wegen seines graumelierten Vollbarts − nannten wir ihn Wotan.
Ich sehe mich an den Anfang meines ersten Semesters in den großen Vortragssaal unserer Fakultät versetzt, wo Professor Janko seine Vorlesung, wie des öfteren, mit einer Ermahnung seiner Studenten zu größerem Fleiß beginnt. Ich höre seine Stimme: »Wenn Sie, meine Damen und Herren, den Anforderungen im Gotischen, Althochdeutschen und besonders Mittelhochdeutschen nicht entsprechen, könnte es Ihnen ähnlich ergehen wie dem Manne, der, wie ich in der Zeitung las, in Uppsala eben das hundertsiebzehnte Semester inskribiert hatte.« Die Stimme verhallt, und ich stehe da, nunmehr in meinem − wenn ich richtig zähle − hundertzweiundzwanzigsten Semester, um über Emil Skála zu sprechen. Die Verbindung ergibt sich mir aus der überraschenden Tatsache, das Skála der unmittelbare Nachfolger von Janko ist, obzwar dieser schon während des Zweiten Weltkriegs gestorben ist und Skála erst 1987 auf den nahezu ein halbes Jahrhundert vakanten Lehrstuhl berufen wurde.
Dieser Hiat ist eine Spur der Erschütterungen, welche dieses Land in jener Zeit heimgesucht haben. Denn es sind da nicht weniger als drei im Karl Kraus’schen Sinne »große« Zeiten nacheinander in dieses Land eingebrochen. Die erste, nazistische, hat die tschechischen Hochschulen insgesamt aufgelöst. Ehe sie sich nach Kriegsende halbwegs auf die Beine stellen konnten, wurden sie von der Welle des Stalinismus überschwemmt und mußten jahrelang nur ein kümmerliches Dasein fristen. Nach dem kurzen Aufatmen des Prager Frühlings von 1968 übte die dritte »große« Zeit während der Zeit, die ihr übrigblieb, eine Art permanenter Rache besonders an den frondierenden Intellektuellen. Dreimal nacheinander wurde auch die Germanistik arg in Mitleidenschaft gezogen.
Dies, flüchtig angedeutet, war der Rahmen, in dem sich Skálas germanistische Laufbahn vollzog. Als ich Professor Jankos erwähnte Vorlesung hörte, machten dem dreijährigen Emil Skála die zwei Sprachen seines westböhmischen Geburtsorts zu schaffen, die tschechische und die dialektdeutsche. Denn man wuchs eben zweisprachig auf, um aus Höflichkeit mit den Nachbarn in jeweils ihrer Sprache reden zu können. Das war sicher kein schlechter Anfang für einen tschechischen Germanisten. Damals sah es noch so aus, daß die disparaten Bestandteile der Tschechoslowakei allmählich in eine dauerhafte demokratische Gesellschaft zusammenwachsen würden. Dem bereits lauernden kombinierten Anprall von Wirtschaftskrise und Hitlers Macht über Deutschland vermochte die Tschechoslowakei jedoch nicht standzuhalten.
Als Emil Skála das Pilsner Gymnasium bezog, war die Tschechoslowakei bereits dem Untergang geweiht. In Prag begann er 1947 gleichzeitig an zwei Fakultäten der Karlsuniversität zu studieren: an der Philosophischen Deutsch und Englisch, an der damaligen Naturwissenschaftlichen Geographie und Geologie. Erst später entschied er sich für die philologische Richtung, wobei man rückblickend sagen kann, daß er am Ende in der Geographie und Geologie der deutschen Sprache sein eigentliches Betätigungsfeld gefunden hat. Nach zwei Jahren als Mittelschullehrer kam er 1953 als Assistent an das germanistische Institut der Universität, wo ihn Professor Hugo Siebenschein zur Mitarbeit an dem unter seiner Leitung entstehenden tschechisch-deutschen Wörterbuch heranzog. Siebenschein und Skála gehörten nicht zur kommunistischen Partei, wodurch ihre Lage in jenen Jahren der dogmatischen Säuberungen und Schauprozesse keineswegs leicht war. Siebenschein erwirkte für Skála die Möglichkeit, bei Theodor Frings in Leipzig habilitiert zu werden. Nachdem dies nach vier Jahren in Leipzig vollbracht war, mußte Skála in Prag auf seine Dozentur lange warten. Erst nach der Veröffentlichung seiner Habilitationsschrift, als die ideologische Diktatur schon etwas gelockert war und ich als neugewählter Prorektor ein klein wenig Einfluß ausüben konnte, wurde Skála 1967 zum Dozenten ernannt.
Die Habilitationsschrift, Die Entwicklung der Kanzleisprache in Eger von 1310 bis 1660 wird in Fachkreisen allgemein hoch bewertet als ein wichtiger Beitrag zur Erhellung der Entstehungsgeschichte der deutschen Schriftsprache vor Luther, indem sie die maßgebliche Rolle des Südens beweist. Das Interessenfeld seiner zahlreichen publizierten Arbeiten erstreckt sich über so gut wie alle Teilgebiete der Sprachforschung. Er gilt heute als ein führender Repräsentant seines Faches.
Ordinarien mit autokratischen Allüren gibt es auf unseren Koordinaten kaum mehr; sie sind der Vergänglichkeit anheimgefallen. Von seinem entfernt direkten Vorgänger hat sich auf Emil Skála nichts Wotan-artiges vererbt, im Gegenteil, er hat die ganzen Jahre hindurch etwas knabenhaft Unmittelbares bewahrt, das unter anderem auch die gegenseitige Beziehung von Lehrer und Studenten mitbestimmt. Seit den sechziger Jahren organisiert und leitet Skála interdisziplinäre Studienreisen in womöglich alle Gebiete, wo deutsch gesprochen wird oder wo deutsche Archivalien zu Studienzwecken zugänglich sind. Auf diese Weise hat der einstige Geograph alle in Frage kommenden und durch offiziellen Reiseverbot nicht versperrten Gegenden bereist. Anfangs waren die Reiseziele auf die Ostblockländer beschränkt. In den Jahren 1965 bis 1968 konnten endlich auch (mit Hilfe der Humboldt-Stiftung) Süddeutschland, die Schweiz und Österreich besucht werden, worauf, nach der Unterdrückung des Prager Frühlings, wieder Jahre von Reiseverboten folgten. In den allernächsten Tagen soll sich, wie ich höre, eine derartige Expedition nach Bayern begeben.
Im September 1968, an einem der ersten Tage meines zweiten Exils suchte mich Emil Skála in Wien auf und fragte, was ich ihm zu tun rate. Ich bat ihn, nach Prag zurückzukehren und begründete meine Bitte damit, daß ihm als politisch Unexponiertem keine unmittelbare Verfolgung droht (da, o, Dialektik, erschien einmal die Parteilosigkeit als Vorteil) und daß man ihn als Lehrer in der schrecklichen Lage dort besonders benötigen wird. Er ging zurück wohl wissend, daß ihm allerlei Unbill und Zurücksetzung nicht erspart werden wird. Ob es meine Worte waren, die ihn dazu bewogen, weiß ich nicht, doch hoffe ich, daß er mir meinen damaligen Rat nicht allzu sehr verargt.
Gegen Ende von Lion Feuchtwangers Josephus-Trilogie stellt ein römischer Senator mit großer Erleichterung und Genugtuung fest, daß er sein ursprüngliches Ziel, Domitians Willkürherrschaft zu überleben, erreicht hat. Ja, man hat überlebt.