Die Gründung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist am 28. August 1949 in der Paulskirche in Frankfurt am Main öffentlich verkündet worden. Seit 1951 hat sie ihren Sitz in Darmstadt auf der Mathildenhöhe.
»Die Schuld ist ausgeweint, wir sind entronnen/Ins letzte Weh« dichtete Gertrud von le Fort. Schicksalsmetaphorik und die Sehnsucht nach einer wieder »heilen Welt« verdrängten zunehmend den kritischen Geist des frühen Aufbruchs.(Doppelleben, S. 9) Auch die junge Akademie war von den Schwierigkeiten des zähen Demokratisierungsprozesses geprägt, und sie ererbte die heftigen Auseinandersetzungen, die nicht nur das literarische Milieu nach 1945 zerrissen. Insbesondere der immer wieder neu aufbrechende Konflikt zwischen den Autoren des Exils und denen der sogenannten Inneren Emigration bestimmte die frühen 50er Jahre.
Tonangebend im recht gemischten Kreis der Gründungsmitglieder wurden schnell die Vertreter der Inneren Emigration, wobei sich unter diesem Etikett durchaus auch einige Autoren verbargen, die sich bestens mit dem NS-Regime arrangiert hatten. So meldeten sich bald kritische Stimmen, die diese Mitglieder wegen ihres Verhaltens während der NS-Zeit angriffen. Rudolf Pechel, ein Vertreter des konservativen Widerstands gegen Hitler und frisch gewählter Präsident der Akademie, gab in dieser für das demokratische Selbstverständnis der jungen Akademie kritischen Situation die Devise aus: man müsse sich nach außen, gegen den »Emigrantenkomplex«, vor die angegriffenen Mitglieder stellen, intern jedoch den Wahrheitsgehalt der Angriffe untersuchen.
Symbolfigur des Hasses auf alle, die sich ins Exil, ins Ausland »abgesetzt« hatten, war Thomas Mann. Frank Thiess, einflussreiches Mitglied vieler literarischer Institutionen und seit 1950 Vizepräsident der Akademie, hatte bereits 1945 den Ton vorgegeben: Thomas Mann und andere hätten von den »Logen- und Parterreplätzen des Auslands der deutschen Tragödie zugeschaut«. Noch 1951 formulierte Thiess in die Richtung seines Mainzer Akademiekollegen Alfred Döblin, vor allem aber in die der neuen Gegner im Osten: »Die Einheit Deutschlands in Ehren, doch man kann und darf sie nur auf Deutsche erstrecken, wobei ich ganz privat der Ansicht bin, daß Döblin, Zweig und Becher drei Juden und Emigranten sind, die gefühlsmäßig zusammengehören«. Auch innerhalb der Akademie entzündete sich der Streit in den ersten Jahren immer wieder an der Frage einer Mitgliedschaft Thomas Manns, der 1955 schließlich zum Ehrenmitglied berufen wurde.
Allerdings trafen derart feindliche Töne gegenüber den Autoren des Exils innerhalb der Akademie auch auf deutlichen Widerspruch, ebenso wie die Versuche, die unterschiedlichen Formen des Arrangements mit der Diktatur zu beschönigen. Rudolf Pechel hatte sich wiederholt und entschieden dagegen gewehrt, ehemalige NSDAP-Parteimitglieder in die Akademie aufzunehmen. Deutlich trat er auch Werner von der Schulenburg entgegen, der 1951 »das Vordrängen der jüdischen Autoren, vor allem der Ausländer« beklagt hatte. Bei ihrer Herbsttagung 1951 verurteilte die Akademie in einer Entschließung, »daß nationalsozialistische Schriftsteller, welche die Freiheit zu unterdrücken bereit waren und dadurch an der Vernichtung zahlreicher geistiger Existenzen mitschuldig wurden, wieder öffentlich auftreten«. (Chronik, S. 34) Auch gegen alle Versuche, Anfang der 50er Jahre unter dem Motto einer »nationalen Versöhnung« (Bernt von Heiseler) Autoren wie Hans Grimm oder Ina Seidel für die Wahl in die Akademie vorzuschlagen, verwahrte sich die Mehrheit der Mitglieder.
Die Auseinandersetzung um Schuld und Verantwortung in der NS-Zeit wurde jedoch durch die zunehmende Ost-West-Polarisierung des Kalten Krieges bald verdrängt, weitaus wichtiger erschien mittlerweile vielen Mitgliedern der »Kampf für die geistige Freiheit« im Osten Deutschlands. Bereits 1950 hatte Rudolf Pechel geglaubt, vor der Bedrohung der Freiheit mit für diesen konservativen Opponenten der NS-Diktatur überraschenden Worten warnen zu müssen: die Vorgänge im östlichen Deutschland gingen »in ihrer Rohheit, Gemeinheit und Dummheit noch über das hinaus, was sich die Nationalsozialisten an Unterdrückung des freien Geistes geleistet hätten«. (Chronik, S. 28)
So waren die Akademie und die sie nach der Gründung prägenden Auseinandersetzungen auch ein Spiegel des schwierigen Demokratisierungsprozesses in Deutschland. Seit der Wahl Hermann Kasacks zum Akademiepräsidenten (1953) wurde jedoch langsam ein neuer Ton erkennbar. Kasack griff beispielsweise 1955 mit einem Gutachten in das Verfahren gegen Arno Schmidt ein, der wegen Gotteslästerung und Pornographie angeklagt worden war. Kasack verteidigte Schmidt gegen diesen für die kulturelle Enge der 50er Jahre so charakteristischen Vorwurf und plädierte leidenschaftlich für »die Kühnheit der Thematik, die ätzende Schärfe des kulturkritischen Inhalts und die bis zum Radikalismus vorgetriebene Diktion der Sprache« (Doppelleben, S. 345).
Auch im Verhältnis zum Nachbarn im Osten kehrte unter Kasacks Präsidentschaft ein neuer, differenzierterer Stil ein. Zwar gab es weiterhin – neben Kommissionen für »Publikationen«, »Buchkritik«, »Sprache und Kritik«, »Schul- und Jugendliteratur«, »Bibliothekswesen«, »Übersetzungsfragen« und »Urheberrechtsfragen« – eine Kommission für »kulturelle Deutschlandfragen«. Ähnlich klingt für uns heute die 1954 zum »Tag der Heimat« erhobene Forderung nach einem »Ost-Unterricht«, der das »literarische, künstlerische und wissenschaftliche Erbe Ostdeutschlands« (Chronik, S. 55f.) lebendig erhalten müsse. Daneben traten aber deutliche Anzeichen einer sich öffnenden Wahrnehmung der anderen deutschen Literatur. So beispielsweise 1956, als sich das Auswärtige Amt, aufgeschreckt durch das Gerücht, Bertolt Brecht sei ein ernsthafter Kandidat für den Literaturnobelpreis, an Kasack wandte und ihn um eine Einschätzung der Stellung Brechts und um mögliche Sprachregelungen ersuchte, sollte diese kulturpolitische Katastrophe der Adenauerära eintreten. Kasacks Entwurf, der wegen des Todes von Brecht nicht mehr abgeschickt wurde, endete: »Nach Ansicht der Akademie ist die Auffassung richtig, dass Brecht literarisch eine internationale Bedeutung zukommt. Mit einer Auszeichnung – wie etwa durch den Nobel-Preis – würde die deutsche Literatur vor der Welt als Ganzes geehrt werden und nicht einer ihrer künstlich auseinandergerissenen Teile.« (Doppelleben, S. 217)
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