Geschichte

Die Gründung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ist am 28. August 1949 in der Paulskirche in Frankfurt am Main öffentlich verkündet worden. Seit 1951 hat sie ihren Sitz in Darmstadt auf der Mathildenhöhe.

2006 – eine Akademie in Europa

Zum Abschluss der Herbsttagung 1997, die sich die »Selbstbestimmung Europas« als Thema gesetzt hatte, sprach der damalige Akademiepräsident Christian Meier davon, dass eine Selbstbegründung Europas jenseits von Ökonomie und Politik aktuell nur schwer zu finden sei. Dies könne nicht ohne Folgen bleiben in einer Lage, in der »eine neue politische Einheit sich anschickt zu entstehen, ohne wirklich sagen zu können, wer sie ist – außer daß sie ein Konglomerat von Nationen ist, die von ihrer Geschichte eher erschöpft, in ihren Diskursen eher disparat sind und einer Umwälzung ausgesetzt, die ohnegleichen ist und auf die sie alles andere als vorbereitet sind« (Jahrbuch 1997, S.147).

Prag 1992, Lyrik-Lesung tschechischer und deutscher Autoren:
Pavel Siktanc, Michael Krüger, Wolfgang Hilbig, Miroslav Holub, Sylva Fischerová, Wulf Kirsten (v.l.n.r.) Deutsche Akademie

Fünf Jahre zuvor hatte die Akademie im Frühjahr erstmalig außerhalb Deutschlands in einem nicht deutschsprachigen Nachbarland getagt. Sie war im April 1992 nach Prag gereist, mit einem Programm, in dessen Mittelpunkt die Begegnung mit Schriftstellern der Tschechoslowakei und das Thema »Deutsches Exil in Prag und Prager Emigranten in Deutschland« standen. Die Prager Tagung war der Auftakt zu einer Neubewertung der Frühjahrstreffen der Akademie. Vor allem den nun regelmäßig organisierten Auslandstagungen wuchsen kulturpolitische Aufgaben der Begegnung und des offenen Austauschs mit Schriftstellern aus anderen Ländern zu. Vergleichbar den innerhalb Deutschlands stattfindenden Frühjahrstreffen, die seit 1989 begonnen hatten, bewusst Orte in den östlichen Bundesländern aufzusuchen, wurden die Auslandstagungen nun zunächst vor allem in Städten Osteuropas abgehalten, um alte Kontakte zu stärken und neue zu knüpfen: auf Prag folgten Budapest (1998), Krakau (2000), St. Petersburg (2004), Lviv (2008).

In der Bibliothek der Schwedischen Akademie in Stockholm, 2011 -
Peter Hamm, Bernd W. Voss, Jan Wagner (v.l.n.r.) Deutsche Akademie

Das gewachsene Interesse an einem Austausch mit Partnern aus anderen europäischen Ländern führte die Akademie dann aber auch nach Turin (2002), nach Kopenhagen (2006), Istanbul (2010) oder Stockholm (2011). Mit der Tagung in Kopenhagen begann dann ein weiterer Aspekt des europäischen Engagements der Akademie Konturen zu gewinnen: die Suche nach einer kontinuierlichen Zusammenarbeit mit Partnerinstitutionen in anderen europäischen Ländern. Bereits 2005 war die Akademie als zweites Mitglied aus Deutschland, neben dem Institut für deutsche Sprache in Mannheim, der European Federation of National Institutions for Language beigetreten. Im folgenden Jahr fand die Frühjahrstagung in Kopenhagen in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit der dänischen Schwester Det Danske Akademi statt und gab mit den guten Erfahrungen den Anstoß, auch zu anderen europäischen Akademien Kontakte aufzubauen. Die Frühjahrstagung in Stockholm, die 2011 in Kooperation mit Svenska Akademien ausgerichtet wurde, ist ebenso Ausdruck dieser Bemühungen wie die seit Januar 2013 veranstalteten »Europäischen Begegnungen«.

Am Beginn dieser Veranstaltungsreihe, an der mittlerweile fünf europäische Partnerinstitutionen und auch mehrere kooperierende Einrichtungen in Deutschland beteiligt sind, stand ein Satz von Adolf Muschg: Der Geist Europas zeige sich darin, wie seiner Vielfalt mit Neugier begegnet werde. »Nie könnte diese Neugier«, so schrieb Heinrich Detering in seinem Geleitwort zum ersten Jahresprogramm der Reihe, »so wichtig, so überlebenswichtig sein wie in einer Krise, die den europäischen Gedanken grundsätzlich in Frage stellt«.

Budapest Debate 2013
Andrei Pleşu (li.)und György Konrád in der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, Budapest Deutsche Akademie

Die europäischen Kooperationen werden heute weniger von der Euphorie des Aufbruchs bestimmt, als vielmehr von einer gemeinsamen Sorge angesichts der Krisen, die sich innerhalb und in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas entwickelt haben. Einige Mitglieder der Akademie und befreundeter Institutionen sind durch Einschränkungen der bürgerlichen Rechte oder durch offene Gewalt bedroht, viele beobachten in ihren Ländern ein Wiedererstarken des ethnischen Nationalismus und rechtsradikaler Bewegungen. Das Thema der Frühjahrstagung 2012 lautete daher »Die Verletzbarkeit von Sprache und Dichtung: Zum Beispiel Ungarn und die Ukraine«. Die eindrücklichen Berichte aus dem Alltag der Unterdrückung und Entdemokratisierung blieben nicht folgenlos: gemeinsam mit Partnern wurde zur Unterstützung der ungarischen Kollegen noch 2012 die »Budapest Debate on Europe« begründet, ein Kooperationsabkommen mit dem unabhängigen ungarischen Schriftstellerverband wurde geschlossen, mit dem ukrainischen Literaturfestival »Meridian Czernowitz« begann eine langfristige Zusammenarbeit und selbstverständlich wurden die Autoren aus der Ukraine und Ungarn auch zu Veranstaltungen nach Deutschland eingeladen. Diese Veranstaltungen haben als Zeichen der Unterstützung, auch als »acte de présence«, eine nicht zu unterschätzende symbolische Wirkung. Sie sind aber, und das haben sie mit anderen Formen der »Europäischen Begegnungen« gemeinsam, ebenso ein kleiner Beitrag der Akademie zu einem Europa, »das aus dem Geist der Offenheit und dem Geist des Gesprächs lebt: dem Geist des offenen Gesprächs in einer offenen Gesellschaft« (Programm 2014).

Literatur:

Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch 1997. Göttingen: Wallstein 1998. 253 S.