Georg-Büchner-Preis an Marcel Beyer

28. Juni 2016

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den Georg-Büchner-Preis 2016 an den Schriftsteller Marcel Beyer. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert und wird am 5. November 2016 in Darmstadt verliehen.

Begründung der Jury:
»Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den Georg-Büchner-Preis 2016 an Marcel Beyer. Sie zeichnet damit einen Autor aus, der das epische Panorama ebenso beherrscht wie die poetische Mikroskopie. Ob Gedicht oder Roman, zeitdiagnostischer Essay oder Opernlibretto, für Marcel Beyer ist Sprache immer auch Erkundung. Er widmet sich der Vergegenwärtigung deutscher Vergangenheit mit derselben präzisen Hingabe, mit der er die Welten der Tiere und Pflanzen erforscht. Er hat den Sound der Straße im Ohr, er kennt die Testgelände der ästhetischen Avantgarden, er ist vertraut mit der tückischen Magie der Medien. Seine Texte sind kühn und zart, erkenntnisreich und unbestechlich. So ist während dreier Jahrzehnte ein unverwechselbares Werk entstanden, das die Welt zugleich wundersam bekannt und irisierend neu erscheinen lässt.«

Marcel Beyer, geboren am 23. November 1965 in Tailfingen/Württemberg, lebte in Köln, bevor er 1996 nach Dresden umzog. Er studierte Literaturwissenschaften in Siegen und schloss sein Studium 1992 mit einer Arbeit über Friederike Mayröcker ab. Von 1989 bis 2000 gab er gemeinsam mit Karl Riha die Reihe „Vergessene Autoren der Moderne“ heraus. Von 1992 bis 1998 veröffentlichte er in der Musikzeitschrift „Spex“.
1991 debütierte er als Romanautor mit dem Buch „Das Menschenfleisch“, im selben Jahr erschienen Gedichte unter dem Titel „Walkmännin“. Einer breiten, auch internationalen Öffentlichkeit wurde Marcel Beyer 1995 mit seinem Roman „Flughunde“ bekannt. Darin erzählt er vom Zweiten Weltkrieg, von der Instrumentalisierung der Sprache durch die Propaganda und von Experimenten mit menschlichen Stimmen. Es folgten die Lyrikbände „Falsches Futter“ (1997) und „Erdkunde“ (2002) sowie die Romane „Spione“ (2000) und „Kaltenburg“ (2008). Beyer macht hier erneut die Gegenwärtigkeit des Vergangenen sichtbar und zeigt, wie sich Wissenschaft in Literatur „übersetzen“ lässt (Kaltenburg). Ebenso veröffentlichte er Erzählungen, Essays wie „Nonfiction“ (2003) und „Putins Briefkasten. Acht Recherchen“ (2012). 2014 legte Marcel Beyer seinen Gedichtband „Graphit“ vor, eine in zwölf Jahren angewachsene Gedichtsammlung, in der er seine Erforschungen von Sprache, Landschaften und Kulturen weiter fortsetzt.

Marcel Beyer hat zahlreiche Poetikdozenturen wahrgenommen, zuletzt, im Januar/Februar 2016, hielt er die Frankfurter Poetikvorlesung „Das blinde (blindgeweinte) Jahrhundert“. Im April dieses Jahres kuratierte er die Veranstaltungsreihe „Sprache und Wissen“ im Haus der Kulturen der Welt, Berlin.

Seit 2003 arbeitet Marcel Beyer als Librettist mit dem Komponisten Enno Poppe zusammen. Aus dieser Zusammenarbeit sind bislang drei Opern hervorgegangen („Interzone“ 2004, „Arbeit Nahrung Wohnung“ 2008, „IQ“ 2012). 2014 schrieb er das Libretto zu Manos Tsangaris „Karl May, Raum der Wahrheit“ (Semperoper Dresden).

Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Uwe-Johnson-Preis 1997 und dem Joseph-Breitbach-Preis 2008, in den letzten Jahren folgten: Oskar Pastior-Preis und Kleist-Preis 2014, Bremer Literaturpreis 2015 und Düsseldorfer Literaturpreis 2016.

Der Georg-Büchner-Preis
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht seit 1951 den Georg-Büchner-Preis an herausragende Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Er wird finanziert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stadt Darmstadt.

Bisherige Preisträger siehe:
www.deutscheakademie.de/de/auszeichnungen/georg-buechner-preis
Autorenseite des Verlags: http://www.suhrkamp.de/autoren/marcel_beyer_369.html

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Übersicht
Bücher (Auswahl):
Sie nannten es Sprache. Brueterich Press 2016
Muskatblut, Muskatblüt. Stiftung Lyrik Kabinett/Wunderhorn 2016
Graphit. Gedichte. Suhrkamp 2014
Putins Briefkasten. Acht Recherchen. Suhrkamp 2012
XX. Lichtenberg-Poetikvorlesungen. Wallstein 2015
Kaltenburg. Roman. Suhrkamp 2008
Aurora. Essay. Stiftung Lyrik Kabinett 2006
Vergeßt mich. Erzählung. Dumont 2006
Nonfiction. Essays. Dumont 2003
Erdkunde. Gedichte. Dumont 2002
Zur See. Prosa. Radierungen: Andreas Zahlaus. Warnke 2001
Spione. Roman. Dumont 2000
Falsches Futter. Gedichte. Suhrkamp 1997
Flughunde. Roman. Suhrkamp 1995
Brauwolke. Gedichte. Papier: John Gerard, Papiergüsse: Klaus Zylla. Berlin: Warnke 1994
Walkmännin. Gedichte 1988 / 1989. Patio 1991
Das Menschenfleisch. Roman. Suhrkamp 1991
Kleine Zahnpasta. Gedichte 1987-1989. dead language press 1989
Obsession. Prosa. Okeanos Presse 1987

Auszeichnungen (Auswahl):
2016 Düsseldorfer Literaturpreis
2015 Bremer Literaturpreis
2014 Kleist-Preis
2014 Oskar Pastior-Preis
2012 September bis 2013 August Stadtschreiber von Bergen-Enkheim
2010 Februar bis 2011 Januar Stipendiat der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom 2008 Arras-Preis 2008 Joseph-Breitbach-Preis
2006 Erich-Fried-Preis Wien
2004 Spycher: Literaturpreis Leuk
2003 Friedrich-Hölderlin-Preis Tübingen
2001 Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln
2000 Jean-Paul-Preis Bayreuth
1999 Förderpreis zum Lessing-Preis des Freistaates Sachsen
1998 Förderpreis zum Horst-Bienek-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
1997 Uwe-Johnson-Preis
1996 Johannes-Bobrowski-Medaille
1991 Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium der Stadt Köln
1991 Ernst-Willner-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb Klagenfurt
1987 Preis beim Nordrhein-Westfälischen Autorentreffen